Nachruf: Volker Hinz

21. Oktober 2019

Der große Porträtfotograf und Menschenkenner, einer der profiliertesten deutschen Bildjournalisten, im Oktober mit 72 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben.
Er war der letzte seiner Art: Rund vier Jahrzehnte war er festangestellter Fotograf beim Stern, und ganz wesentlich hat er die visuelle Optik des Hamburger Magazins mitgeprägt. In Hamburg wurde Hinz 1947 geboren; nach einer Lehre als Elektromechaniker im Flugzeugbau und seiner Bundeswehrzeit, während der er die Fotografie für sich entdeckte, begann seine Karriere in raschen Schritten: Als Autodidakt verkaufte er erste Aufnahmen schon als 20-Jähriger an Zeitungen, mit 24 Jahren übernahm er dann die Leitung der Bildagentur Sven Simon in Bonn. Hier war er ganz nah an der deutschen Politszene in der bürgerlichen Provinzialität der Bonner Republik. Seinen ersten World Press Photo Award erhielt er 1973 und zwei weitere sollten folgen.

1974 ging Hinz zurück nach Hamburg, um für den Stern zu arbeiten, doch bereits vier Jahre später zog es ihn nach New York, um als freier Fotograf aus den USA zu berichten. Legendär sind nicht zuletzt seine Motive aus dem New Yorker Nachtleben im damals berühmten Area-Club in Lower Manhattan, in dem er regelmäßig fotografieren durfte. Doch nicht nur den überbordenden Hedonismus der Partyszene dokumentierte Hinz in den USA-Jahren, sondern immer wieder fand er auch treffende Bilder für den gesellschaftlichen Zustand des Landes. Ab 1986 war er dann wieder zurück in Hamburg und blieb bis zu seiner Pensionierung 2013 beim Stern: Er wurde so zum letzten fest angestellten Fotografen des Magazins und konnte sich hier den Luxus leisten, bis zum Schluss ausschließlich analog und bevorzugt in Schwarzweiß zu arbeiten.
Hinz ging immer mit wachen Augen durch die Welt, seine unzähligen Reportagen vermitteln viel von seiner Zeitzeugenschaft. Vor allem seine Porträts aus der Welt der Politik, des Sports, aus Mode, Kultur und Unterhaltung sind häufig längst zu Bildikonen geworden. Fotografiert hat er sie alle, ob Helmut Schmidt, Willy Brandt oder Ronald Reagan, Karl Lagerfeld, Muhammad Ali, Woody Allen, William S. Burroughs oder – vielleicht sein bekanntestes Motiv – Franz Beckenbauer und Pelé 1977 in der Dusche des Lockhart Stadiums in Fort Lauderdale. Mit seiner Kamera kam er eben überall hin. Sein Blick auf die Stars und Sternchen der Gesellschaft waren immer treffend: Er fotografierte leidenschaftlich, auch empathisch und gerne mit Humor und Ironie, ohne die Dargestellten wirklich bloßzustellen.

Selbst seine „bösen Bilder“, die er mit einer Hasselblad-6x6-Kamera mit weitwinkeligem lupenscharfen Zeiss-Biogon-Objektiv auf diversen gesellschaftlichen Terminen schoss, sind zwar immer kleine Attacken auf die Porträtierten, doch meist verzieh man dem „sanftmütigen Falken“ gern. Mit unglaublicher Leichtigkeit tänzelte der Fotograf durch die dichtesten Menschenmassen. Hatte man ihn entdeckt, war es meist schon zu spät, das Bild längst gemacht. „Schon früh beherrschte Volker Hinz wie wohl kein Zweiter in seinem Genre die große Kunst, noch bei den steifsten Anlässen eben nicht die protokollarischen Aufnahmen zu machen, sondern ein Gespür für das oft viel aufschlussreichere Randgeschehen zu entwickeln. Für die kleinen Gesten, eine verräterische Mimik, ein sprechendes Detail, einen ehrlichen Blick“, schreibt Peter-Matthias Gaede in In Love with Photography, dem Prachtband zum Werk von Hinz von 2015.

Sein unverkennbarer Stil wurde längst mit dem Ehrentitel „hinzig“ belegt. Seine Bilder von den Berühmten und manchmal auch Berüchtigten werden bleiben, auch wenn der Erzähler nun schmerzlich fehlt, denn ebenso erstaunlich schien das Gedächtnis von Hinz. Egal, über welchen Schauspieler, Politiker oder Prominenten man mit dem regelmäßigen Besucher in den Hamburger Räumlichkeiten der LFI sprach, er hatte ihn ganz gewiss irgendwann einmal fotografiert. Und konnte bestimmt noch eine Anekdote zu dem Treffen liefern. Nun muss sein Archiv für ihn sprechen: Abertausende von Prints und Regalmeter von Diapositiven verweisen auf ein reiches, vielfältiges Fotografenleben und sind Teil der visuellen Chronik einer Epoche des Magazin-Journalismus, den es in dieser Form nicht mehr gibt.

(Ulrich Rüter)
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