Im Schatten des Grenfell Tower

Sarah M. Lee

26. Juni 2017

„Ich habe diese Bilder in der Mittsommernacht aufgenommen. Es ist ein Monat, der große Unsicherheit in die Stadt gebracht hat: unerwartete Wahlergebnisse und eine ungeklärte Brexit-Situation und dazu die schreckliche Feuertragödie in West London, die am 14. Juni 79 Menschen das Leben gekostet hat.“
„Ich habe diese Bilder in der Mittsommernacht aufgenommen – im wärmsten Juni, den London seit 41 Jahren erlebt hat. Es ist ein Monat, der große Unsicherheit in die Stadt gebracht hat: unerwartete Wahlergebnisse und eine ungeklärte Brexit-Situation und dazu die schreckliche Feuertragödie in West London, die am 14. Juni 79 Menschen das Leben gekostet hat.

Die Atmosphäre ist seltsam angespannt. Es fühlt sich an, als könnte die Spannung überlaufen. Ich war mit meiner Autoren-Kollegin Laura Barton unterwegs, mit der ich oft zusammenarbeite. Wir wollten die Stadt in der kürzesten und heißesten Nacht des Jahres durchqueren und die aufgeladene Stimmung spüren.

Wir starteten um Mitternacht am Notting Hill Gate, wo ungeachtet der Tatsache, dass es mitten in der Woche war, viele Angestellte auf der Straße einen Drink nahmen und Liebespaare schlenderten, die nicht nach Hause in ihre überhitzten Apartments wollten. Doch die Hinweise auf das schreckliche Ereigniss war allgegenwärtig – Angehörige und Freunde suchen mit Flyern in den Schaufenstern der Geschäfte und Pubs nach Vermissten. Dann passierten wir die Ruine des Grenfell Tower. Die Stimmung war düster. Überlebende trafen sich auf der Straße, unfähig zu schlafen aufgrund der Dinge, die sie gesehen haben.

Später ging es durch Camden und Hackney, wo einige Nachtschwärmer entspannt ihre Drinks zu sich nahmen und die untypische Hitze genossen. Am frühen Morgen nahmen wir einen Bus in Richtung Westminster Bridge, um die Dämmerung am selben Punkt zu erleben wie der Dichter William Wordsworth, der das berühmte Gedicht Composed upon Westminster Bridge verfasst hat. Zu dieser Zeit waren bereits Berufstätige unterwegs. Ich war beeindruckt von einer Frau aus der Karibik mit afrikanischen Wurzeln, die vollkommen versunken in ihre Bibel im Bus saß.

Mit der Leica M10 zu arbeiten war eine Freude. Ich habe diese Bilder fast alle mit dem Summilux-M 1:1.4/50 mm Asph gemacht. Es gab nur wenig Licht und ich musste ISO-Werte um 8000 verwenden, die mit einem früheren M-Modell nicht möglich gewesen wären. Meiner Meinung nach ist die M10 die perfekte Rangefinder-Kamera.“
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Sarah M. Lee

Sarah M. Lee+-

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Sarah and her assistent Agne.

Sarah studierte Ende der 90er Jahre Anglistik am University College London (UCL) und nutzte die nicht in Bibliotheken verbrachte Zeit, um sich zur Fotografin auszubilden.
Im Jahr 2000 wurde ihr eine freie Stelle beim Guardian angeboten, und seitdem arbeitet sie weiterhin für den Guardian und den Observer. Lee ist spezialisiert auf Porträts, Reportagen und die Künste, interessiert sich aber für jede Art der Fotografie, die sich mit Menschen und der gemeinsamen menschlichen Erfahrung beschäftigt.
Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Hund in London. Mehr

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