Die Dezemberrevolution und ihre Folgen

Joseph Rodríguez

17. April 2015

Dezember 1989: Rumäniens Diktator Ceausescu war gestürzt – wenig später fotografierte Joseph Rodriguez den posttraumatischen Zustand im Lande.
1989: Die Welt kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Binnen weniger Monate verabschiedete sich das knapp anderthalb Jahrhunderte zuvor von Karl Marx von der Leine gelassene „Gespenst des Kommunismus“ sang- und klanglos von der europäischen Bildfläche – die Geisterstunde war vorüber. Im Juni fanden in Polen die ersten freien Wahlen im Ostblock statt, im November fiel die Berliner Mauer und im Dezember siegte die Samtene Revolution in der CSSR. Im selben Monat war auch das Schicksal einer der härtesten – und bizarrsten – Diktaturen Osteuropas besiegelt: Das rumänische Diktatorenpaar Elena und Nicolae Ceausescu bekam die Oppositionsstadt Timisoara nicht mehr unter Kontrolle; die Unruhen griffen auf die Hauptstadt Bukarest über und bei einem Fluchtversuch wurden die Ceausescus festgenommen. Ein kurzer Schauprozess endete mit Todesurteilen, die schnell vollstreckt wurden – u. a. wegen Genozids an 64 000 Menschen durch Hunger, Kälte und fehlende medizinische Versorgung.

Viele Fotografen, die nach der Revolution Rumänien erreichten, haben die grauenhaften Zustände in den Waisenhäusern des Landes dokumentiert. Auch Joseph Rodriguez hat sie aufgesucht, aber er richtete seinen Blick nicht auf das Elend allein, sondern er sucht, wie bei den meisten seiner Aufnahmen aus der dörflichen und industriellen Welt auch, den Blickkontakt. Gelegentlich ist er dabei sogar auf heiter anmutende Szenen gestoßen, auf Menschen, die anscheinend ein Stück Lebensfreude wiedergefunden haben. Aber das sind seltene Momente. Wenn sie den Blick überhaupt halten können, zeigt sich in den Augen seiner Protagonisten fast immer Verunsicherung, Trauer und Schmerz.

Eine Auswahl seiner Bilder finden Sie in der LFI 3/2015.
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Joseph Rodríguez

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© Lucig Kebranian

Der Dokumentarfotograf wurde in Brooklyn, New York, geboren, und wuchs dort auf. Er studierte an der School of Visual Arts und am ICP in New York. Der weltweit ausgestellte Fotograf lehrte an Universitäten in Mexiko und Europa, heute unterrichtet er an der New York University. Für seine Fotoserie über die Gangster-Clans in East Los Angeles, erhielt er 1993 das Alicia-Patterson-Stipendium. Mehr

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