Gisèle Freund – Straße frei am 1. Mai

14. Januar 2015

Vor fast 83 Jahren fotografiert in Frankfurt am Main eine junge Studentin mit ihrer Leica die Demonstrationen zum 1. Mai. Es sind unmittelbare Dokumente der politischen Gegenwehr, die sich dem wachsenden Einfluss der Nationalsozialisten entgegenstellen
Vor fast 83 Jahren fotografiert in Frankfurt am Main eine junge Studentin mit ihrer Leica die Demonstrationen zum 1. Mai. Es sind unmittelbare Dokumente der politischen Gegenwehr, die sich dem wachsenden Einfluss der Nationalsozialisten entgegenstellen. Zum letzten Mal dürfen die Demonstranten mit Fahnen und Spruchbändern öffentlich durch die Straßen ziehen, denn schon im nächsten Jahr war auch aus dem 1. Mai eine gleichgeschaltete Propagandaveranstaltung geworden.

Die Fotografin ist die damals 24-jährige Gisela Freund. Ein Jahr zuvor war sie nach Frankfurt gekommen, um ihr Studium der Soziologie und Kunstgeschichte fortzusetzen. Sie ist politisch aktiv, Mitglied im Sozialistischen Studentenbund und nutzt nun ihre Leica I, die sie zum Abitur von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte, um die Straßendemonstrationen zu dokumentieren. Ein Jahr später kann Freund gerade noch rechtzeitig nach Paris flüchten, um sich der drohenden Verhaftung zu entziehen. Ihre Leica und die in Frankfurt entstandenen Negative hat sie dabei, doch veröffentlich werden die Bilder nicht. In Paris vollendet sie nicht nur ihre Dissertation, sondern unter dem Namen Gisèle Freund soll sie in den Folgejahren auch eine berühmte Bildreporterin werden. Vor allem die farbfotografischen Schriftsteller- und Künstlerporträts machen Freund international bekannt. Am 31. März 2001 starb Freund in Paris.

Die frühen Aufnahmen aus Frankfurt waren lange Zeit vergessen. Die Erstpräsentation erfolgte 1995 im Frankfurter Museum für Moderne Kunst. Gisèle Freund hatte die Originalnegative noch einmal in die Hand genommen und eine Auswahl auf Barytpapier abgezogen. Durch die großzügige Schenkung des Ehepaars Dr. Martin und Margarethe Murtfeld hat das Historische Museum Frankfurt jetzt nicht nur einen spektakulären Sammlungszuwachs von 51 Fotografien erhalten, sondern kann eine Auswahl von 23 Aufnahmen in einer Sonderausstellung, die seit dem 12. Januar bis zum 3. Mai 2015 laufen wird, präsentieren.
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