Der Degendieb

Robert Lebeck

29. Juni 2020

Genau vor 60 Jahren entstand ein Bild, das Mediengeschichte geschrieben hat. Nicht nur als Symbol für die Befreiung vom Kolonialismus, sondern auch als ikonischer Moment des Bildjournalismus.
Mit seiner Leica war der junge Bildreporter wieder einmal zur rechten Zeit am richtigen Ort: „Ich hatte meistens einfach unverschämtes Glück“, so der oft zitierte lakonische Kommentar des Fotografen. Seine Aufnahme des Degendiebs, entstanden am 29. Juni 1960 während der Unabhängigkeitsfeiern von Belgisch-Kongo in Léopoldsville, dem heutigen Kinshasa, ist längst legendär: „Afrika im Jahre 1960 war ein Rätsel, ein Geheimnis. Binnen zwölf Monaten entließen Frankreich, England und Belgien 17 Kolonien südlich der Sahara in die Unabhängigkeit. Für einen jungen Journalisten wie mich bot dieser plötzlich so selbstbewusste Kontinent ein ideales Reportagefeld“, so Lebeck.

Die offene Limousine mit dem belgischen König Baudouin in schneeweißer Uniform und dem neuen kongolesischen Präsidenten Joseph Kasavubu hatte den Fotografen schon passiert, als sich plötzlich ein Mann zwischen Wagen und Eskorte drängte und dem ehemaligen Kolonialherrn das Symbol der Macht, den Paradedegen, entwendete. Reflexartig nahm Lebeck den auf ihn zustürmenden Mann in sein Visier, drückte ab und merkte erst nach der Entwicklung, dass er den entscheidenden Moment getroffen hatte. Ohne Lebecks Bild hätte vermutlich die Welt nie von diesem Zwischenfall erfahren, erst mit der Fotografie wurde der Degenraub ein Ereignis und zum Symbolbild für die Überwindung des Kolonialzeitalters.

Robert Lebeck zählte zu den führenden Bildreportern seiner Zeit. Der Degendieb sollte – in den Worten Lebecks – zu seiner fotografischen Visitenkarte, zu seinem wichtigsten Bild überhaupt werden. 

In der LFI war er der Leica-Klassiker in der Ausgabe 6/2014. Die Ausstellung Robert Lebeck: Porträts von Menschen und Ländern läuft noch bis zum 13. September in Monschau.
Ulrich Rüter
Bild: © Robert Lebeck

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© Volker Hinz

Robert Lebeck wurde am 21. Juni 1929 in Berlin geboren. Nach Kriegsdienst, Gefangenschaft, Studium und USA-Aufenthalt begann er Anfang der 1950er-Jahre als freier Bildreporter zu arbeiten. Von 1955 bis 1960 bei der Revue, 1960 Umzug nach Hamburg und zunächst für Kristall, ab 1966 bis 1995 als fest angestellter Bildjournalist für den Stern tätig. Zahlreiche Ausstellungen und Auszeichnungen, u. a. 1991 Dr.-Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie und 2007 Henri-Nannen-Preis für sein Lebenswerk. Am 14. Juni 2014 ist Robert Lebeck in Berlin verstorben. Mehr

 

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