Nachruf: Paul Fusco

18. Juli 2020

Der Magnum-Fotograf Paul Fusco ist gestorben.
Wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag ist am 15. Juli der amerikanische Bildjournalist Paul Fusco in New York verstorben, wie gestern die Agentur Magnum mitteilte. Der Leica-Fotograf gehört zu den angesehensten US-amerikanischen Bildjournalisten, der mit Engagement und großer Humanität in seiner langen Karriere nicht nur politische und soziale Themen der US-amerikanischen Gesellschaft dokumentierte, sondern für die unterschiedlichsten Auftraggeber und Magazine in der ganzen Welt arbeitete. Ob streikende Arbeiter in Kalifornien, Latinos in New York, Revolutionäre in Mexiko, Opfer der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl oder Menschen mit Aids: Mit seiner Kamera ging der Fotograf immer sehr direkt an seine Themen, stellte das Schicksal Einzelner in den Mittelpunkt. Die visuelle Kraft seiner Aufnahmen ist bis heute überwältigend.

„Ein Großteil meiner Arbeit schreit. Ich möchte, dass meine Bilder das tun - nicht alle, aber ich möchte, dass die Menschen bewegt werden und dass sie spüren, wie das Leben unter den Menschen auf meinen Fotografien ist“, bekannte der Fotograf: „Ich möchte, dass die Menschen in das Leben der Menschen, die sie anschauen, hineingezogen werden.“

Paul Fusco wurde am 2. August 1930 in Leominster, Massachusetts geboren. Bereits als Jugendlicher entdeckte er seine Leidenschaft für die Fotografie. Nach seinem Dienst als Fotograf bei den United States Signal Corps in Korea (1951-53), studierte er Fotojournalismus an der Ohio-University in Athens, Ohio. Von 1957 bis zur Einstellung des Magazins 1971 war er fester Bildjournalist bei Look. 1973 wurde er Mitglied der Agentur Magnum.

„Magnum-Fotografen aus allen Generationen erinnern sich an ihn wegen der Inspiration, die ihnen seine Arbeit gegeben hat, sowie wegen seiner Großzügigkeit innerhalb der Gemeinschaft“, schreibt Magnum-Präsidentin Oliver Arthur in ihrem Nachruf: „Seine Anwesenheit wird vermisst werden und sein Vermächtnis wird in Erinnerung bleiben“.

Die heute bekannteste Serie aus Fuscos Werk wurde erst mit dreißigjähriger Verspätung veröffentlicht: die Fahrt des Begräbniszugs von Robert Kennedy, der am 6. Juni 1968 erschossen worden war. Im Auftrag von Look begleitete er den Sonderzug von der New Yorker Penn Station bis nach Washington. Während dieser Fahrt gaben Hunderttausende von Amerikanern dem Sonderzug auf der Strecke das letzte Geleit. Mit Farbfilm, Leica- und Nikon-Kameras fotografierte Fusco in den acht Stunden der Überführung aus dem Zug heraus ein unvergleichliches Stimmungsporträt der USA dieser Zeit. Alte und junge Menschen, Paare, Familien, Gruppen stehen an der Strecke und sind in ihrer Trauer vereint, tief in ihrer Hoffnung auf gesellschaftspolitischen Fortschritt erschüttert. „Während ich mich von gut belichteten zu immer düsteren Bildern durchsortierte, wurde mir klar, dass sie die Themen der Reportage widerspiegelten: vom Licht zur Dunkelheit, von Hoffnung zum Verlust, von Liebe zu Tragödie und Schmerz,“ erinnerte sich Fusco später in dem Magnum Bildband „Contact Sheets“. Look druckte damals nur zwei Motive – erst Jahrzehnte später wurden sie wiederentdeckt, veröffentlicht und ausgestellt und als eine der wichtigsten Serien erkannt, die persönliche Beobachtung mit politischer und gesellschaftlicher Stimmung virtuos in Einklang bringt.

„Die Tiefe und das Engagement seiner Arbeit war immer eine Inspiration, und natürlich bleibt Funeral Train eines der bemerkenswertesten Werke über die Vereinigten Staaten, das je geschaffen wurde“, so Fuscos Magnum-Kollege Peter van Agtmael. (Ulrich Rüter)
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