Auch 2022 wollen wir Ihnen am Ende des Jahres noch einmal aus der Fülle der Neuerscheinungen eine Auswahl präsentieren. Bücher, die uns aufgefallen sind, aber bisher in unserem LFI Magazin oder auf dem LFI Blog keinen Platz gefunden haben. Trotz aller Schwierigkeiten der Verlagsbranche scheint sich die Menge ambitionierter Buchprojekte weiter zu steigern. Dabei sind diesmal wieder Klassiker und Neuentdeckungen, unterschiedliche Themen, spannende Bildsprachen. Wir laden Sie ein, mit unseren Vorschlägen noch ein paar Anregungen für die Erweiterung Ihrer persönlichen Fotobibliothek oder für Ihre Geschenkeliste zu finden.





Anne Schönharting, Habitat Berlin-Charlottenburg
Ach, Charlottenburg!, mag mancher zunächst seufzen. Der „alte“ Berliner Westen: ein wenig bieder, oft gediegen, gern auch spleenig; hier trifft altes Geld auf neureiche Zuzüge. Wie hat die Berliner Fotografin (*1973) es nur immer wieder geschafft, einen Blick hinter die herrschaftlichen Altbaufassaden zu werfen? In dem Langzeitprojekt – entstanden in den letzten zehn Jahren – werden keine eitlen Selbstdarsteller in „Schöner Wohnen“-Kulissen präsentiert, sondern sehr eigenwillige Charaktere tauchen auf den Seiten des großformatigen Bildbandes auf. Menschen, Paare, Familien, die aus ihren Wohnungen oft bühnenartige Räume erschaffen haben. Die subtilen Porträts und sorgfältigen Inszenierungen der Fotografin berichten vom Eigensinn der Vorgestellten, den Leidenschaften fürs Besitzen und Sammeln, und auch unterschiedlichste Familien- und Lebenskonzepte sind zu entdecken. Feiner Humor inbegriffen.

Anthony Blasko, Strawberries Florida
Warmes goldenes Licht fällt auf die abgebildeten Menschen und Szenerien. Ein gelungener Clou des amerikanischen Fotografen, der sich entschieden hat, immer nur bei untergehender Sonne zu fotografieren. Ganz sanft passt sich alles dieser Abendstimmung an, mögen die dargestellten Personen noch so unterschiedlich sein, die eigentliche Atmosphäre noch so laut und schrill. Dass das Coverbild, gemalt von Shaun Morris, nur eine Erdbeere zeigt, leuchtet ein, sind wir mit dem Fotografen doch auf dem traditionsreichen Plant City Strawberry Festival in Florida unterwegs. Eine elftägige Veranstaltung, deren Tradition bis in die 1930er-Jahre zurückreicht und die sich „auf die Bewahrung und Aufwertung des landwirtschaftlichen und historischen Erbes der Erdbeere in Florida“ konzentriert. Seit 2013 ist Blasko immer wieder zum Erdbeerfestival zurückgekehrt, das bei ihm nun nostalgisch zeitlos erscheint.

Gregor Sailer, Unseen Places
Die hier präsentierte Welt ist menschenleer. Dabei zeigen doch alle Landschaften deutliche Spuren und durch menschliche Zivilisation verursachte Veränderungen. Verborgene, vergessene und ungesehene Orte interessieren den österreichischen Fotografen (*1980) ganz besonders, ist er doch komplexen politischen, militärischen und wirtschaftlichen Verwerfungen von Landschaft und Architektur auf der Spur. Das hat ihn und seine analogen Mittelformat- und Großbildkameras in den letzten Jahren immer wieder in entlegene Weltgegenden gebracht, zu potemkinschen Dörfern, sonderbaren, unwirtlichen oder dystopischen Orten. Die für den Fotografen typische „beunruhigende Ausgewogenheit“ wird in dem seine Retrospektive begleitenden Bildband in sieben Serien aus den letzten 20 Jahren ausgebreitet. Ein verstörend ästhetischer Blick auf den Zustand der Welt.

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