Blue Affair

Kosuke Okahara

7. Februar 2022

Der japanische Künstler Kosuke Okahara spricht über seine experimentelle Dokumentation, die Träume und Realität miteinander verwebt.
Blue Affair von Kosuke Okahara ist eine visuelle Arbeit, die auf den Träumen von seiner Zeit in der Stadt Koza (Okinawa, Japan) basiert. Als experimentelle Dokumentation seiner Erfahrungen in Koza produzierte er einen Film aus Standbildern und ein Fotobuch, das seine Erinnerungen und Eindrücke von diesem Ort und den Menschen, denen er dort begegnete, nachzeichnet.

LFI: Worum geht es bei „Blue Affair"?
Kosuke Okahara: In dieser Arbeit geht es um meine Träume von meiner Zeit in Koza. Es war ein Zufall, dass ich die Stadt nach einem Auftrag im Jahr 2017 besuchte. Ich traf einige Leute in einer behelfsmäßigen Bar in einer kleinen Gasse. Die Menschen, denen ich in der Stadt begegnete, zogen mich irgendwie an, und so begann ich, Fotos von ihnen und der Stadt selbst zu machen. Ich lernte sehr interessante Personen kennen und hatte ziemlich intensive Erlebnisse. Die Leute in Koza verwirrten mich, weil sie freundlich, aber auch grob sind und sich irgendwie widersprüchlich verhalten – rau, aber auch sehr menschlich.
Bald nach meiner Rückkehr aus Koza begannen diese Begegnungen, in meinen Träumen zu erscheinen, was mich dazu brachte, in die Stadt zurückzukehren. Das tat ich dann auch – viele Male. Nachdem ich drei Jahre lang dort fotografiert hatte, dachte ich nicht daran, dass es sich um ein Projekt handelte, denn ich wollte einfach nur Menschen begegnen und Fotos machen. Ich hatte kein konkretes Ziel vor Augen, wie bei anderen Projekten, die ich zuvor gemacht hatte. All die Zeit, die ich in der Stadt verbrachte, war wie ein Traum, und die Bilder waren wie Erinnerungen aus meinem Traum, obwohl sie real sind.

Und dann haben Sie beschlossen, ein Video über dieses Projekt zu veröffentlichen…
Das kam ganz natürlich. Die Träume, die ich hatte, waren bewegte Bilder, und so hatte ich das Gefühl, dass diese Arbeit als Videoarbeit gemacht werden sollte, anstatt sie als Standbilder zu zeigen – auch wenn ich nur Standbilder habe. In dieser Arbeit verbinde ich die Realität (Bilder, die ich aufgenommen habe) mit meinen Träumen, die auf meinen Erfahrungen in dieser Stadt beruhen. Man sagt, dass Träume eine Sammlung von Standbildern sein könnten, die unser Gehirn bearbeitet, das versucht, aus unseren verstreuten Erinnerungen einen Sinn zu erzeugen. Deshalb haben wir manchmal seltsame Träume, die keinen Sinn ergeben. Für mich war es daher ganz natürlich, Standbilder in Video- oder Filmform zu verwenden, um den Traum, den ich hatte, auszudrücken.

Nachdem Sie den Film gedreht hatten, wurde „Blue Affair" auch zu einem Fotobuch – wie kam es dazu?
Da ich die Form des Traums nachstellen wollte, ist ein Film die ursprüngliche Version – da er nicht physisch bleibt, wenn man ihn zu Ende gesehen hat, genau wie Träume –, aber ein Buch ist etwas, um diesen Traum zu zerlegen, sodass man in die Traumwelt zurückgehen kann, indem man die Seiten umblättert, um zu sehen, wie es wirklich war. Ich habe also einen Film und ein Buch, die identisch sind, aber das Ziel der beiden Medien ist ein wenig anders.

Der Film wurde bereits bei sieben Kurzfilmfestivals nominiert und hat zwei Preise gewonnen. Was denken Sie über diesen Erfolg?
Es gibt so viele andere erstaunliche Arbeiten, die viel erfolgreicher sind, daher bezeichne ich das Ergebnis dieser Nominierungen nicht als Erfolg, aber eines der lohnendsten Dinge bei der Herstellung von Blue Affair war, dass ich mit Leuten aus der Filmwelt diskutieren konnte.
Als ich verschiedene Filmfestivals besuchte, fragten mich einige Leute, ob ich von La Jetée (dt.: Am Rande des Rollfelds) von Chris Marker beeinflusst sei. In der Tat habe ich La Jetée wahrscheinlich mehr als 100-mal gesehen, aber es ist immer noch ein fiktionaler Film. Obwohl meine Arbeit auch aus Standbildern besteht, ist die Konzeption völlig anders. Ich habe also erklärt, wie Blue Affair entstanden ist, einschließlich der Motivation, des Prozesses usw. Im Laufe der Gespräche sagten mir einige Leute, dass meine Fotografien ziemlich kinematografisch seien, was mir zuvor auch schon von Kuratoren und Fotografenkollegen gesagt worden war. Damals habe ich nicht darüber nachgedacht, aber vielleicht ist meine Fotografie wirklich dadurch geprägt worden. All diese Gespräche und Erkenntnisse, die ich hatte, waren sehr wertvoll – sie gaben mir ein besseres Verständnis für meine eigene Fotografie.
Danilo Rößger
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Kosuke Okahara
EQUIPMENT: Leica M7 mit Elmarit-M 1:2.8/28 Asph und Summicron-M 1:2/35 Asph

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© Kapil Das
© Kapil Das

Der Fotograf ist Gewinner des W. Eugene Smith Fellowship, der Getty-Stipendien und des Pierre & Alexandra Boulat Grant. Seine Serie Almost Paradise wurde bei der Ausstellung 100 Jahre Leica Fotografie gezeigt. Im Jahr 2021 drehte er Blue Affair, eine Video-/Filmarbeit nur mit Standbildern. Das Werk wurde für das Internationale Kurzfilmfestival von Clermont-Ferrand nominiert, das größte Kurzfilmfestival der Welt. Okahara stellt auch Kunstbücher her: Sein gigantisches 100 × 70 cm großes Fotokunstbuch und sein zehn Meter langes Rollbuch werden derzeit als Teil der Ausstellung Fotobücher – Kunst zum Blättern im Leipziger Grassi Museum gezeigt. Okahara wird von der Polka Galerie in Paris und der Galerie Only Photography in Berlin vertreten. Mehr

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