Nachruf: June Newton

12. April 2021

Mit 97 Jahren ist die unter ihrem Pseudonym Alice Springs bekannte Fotografin June Newton in Monaco gestorben.
Sie war weit mehr als die Frau hinter ihrem weltberühmten und notorisch berüchtigten Mann Helmut Newton. Und auch die Beschreibung „die Frau an seiner Seite“ hat nie bedeutet, dass sie sich mit einer Nebenrolle zufriedengab. Schließlich war sie Schauspielerin, hatte bereits zahlreiche Engagements unter dem Pseudonym June Brunell, als sie 1947 in Melbourne Helmut Newton kennenlernte. Sie selbst war dort am 3. Juni 1923 als June Browne geboren worden, hatte ihre Schauspiel-Ausbildung abgeschlossen, arbeitete am Theater und stand auch als Model vor der Kamera: Es war ein Auftrag für eine Pullover-Werbung, der June mit Helmut Newton zusammenbrachte. Newton war von Berlin aus auf der Flucht vor den Nazis in Melbourne gelandet und betrieb dort ein Fotostudio. 1948 heirateten die beiden.

1956 wurde June in Australien mit dem Erik Kuttner Award als beste Theaterschauspielerin ausgezeichnet – im selben Jahr zog das Paar dann nach London, da Helmut Newton dort für die britische Vogue arbeiten konnte. 1961 ging es weiter nach Paris und die Karriere des Fotografen nahm weiter Fahrt auf. Die Arbeit begleitete June nicht nur als Beraterin und Muse, sondern – so die Legende – durch einen Zufall wurde sie selbst Fotografin: Da ihr Mann durch eine Grippe verhindert war, übernahm sie kurzerhand einen lukrativen Werbeauftrag. Veröffentlicht wurden die Aufnahmen natürlich unter dem Namen ihres Mannes, doch ein Anfang war gemacht, weitere Aufträge folgten. Die Idee zum Pseudonym Alice Springs, unter dem nun ihre Bilder veröffentlicht wurden, hatte angeblich ein Freund, der im Atlas eine Karte Australiens aufgeschlagen hatte – June traf mit einer Stecknadel zufällig den Ort Alice Springs im Zentrum des Kontinents. Bereits 1974 landete eine ihrer Aufnahmen auf dem Cover der französischen Elle, regelmäßig veröffentlichte sie ihre Aufnahmen in allen wichtigen Modemagazinen. Mit Werbeaufnahmen und vor allem mit Celebrity-Porträts hatte sie in der Folgezeit einen eigenständigen Weg in die Fotografie gefunden. Anders als ihr Mann setzte sie weniger auf Tabubruch und Skandal, sondern interessierte sich mehr für die Personen, die sie porträtierte.

Doch sie blieb auch engste Beraterin und Vertraute für das Werk ihres Mannes, betreute als Artdirector, Kuratorin oder als Herausgeberin seine Bücher und Ausstellungskataloge. Auch gemeinsame Projekte entstanden, so etwa der Bildband Us and Them (1998). Ihre Autobiografie Mrs. Newton veröffentlichte sie 2004 – im selben Jahr starb ihr Mann, sodass sie neben dem Amt als Präsidentin der Helmut Newton Foundation von ihm auch die Aufgabe übernahm, den von dem Paar initiierten und weitgehend finanzierten Umbau des ehemaligen Offizierskasinos am Bahnhof Zoo zu einem Fotografie-Museum abzuschließen. Bereits jetzt ist dort eine Ausstellung zu ihrem 100. Geburtstag im Jahr 2023 angekündigt, denn in Berlin lagern mittlerweile auch von ihr alle Negative, Kontaktabzüge, Fotografien und biografisches Material.

Am 9. April ist June Newton in ihrer Wahlheimat Monaco gestorben. Sie wird in Berlin auf dem Städtischen Friedhof in Friedenau neben Helmut Newton bestattet. (Ulrich Rüter)
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