UNSERE WEBSITES
Deutsch
Warenkorb
Artikel hinzugefügt
Zur Kasse

PORTFOLIO

03.05.2021

|
Share:
Träumen Fotografen anders? In einer neuen Bildserie hat die Berliner Leica-Fotografin eine Reihe von Motiven zusammengestellt, die sie mit ihren Träumen verbindet. Auf ihrer gerade neu gestalteten Homepage ist die Serie erstmals präsentiert. Wir zeigen eine Auswahl. Im Interview berichtet sie über ihr Vorgehen und die Idee zur Serie.

LFI: Seit wann notieren Sie Ihre Träume?
Julia Baier: Neben meinem Bett liegt immer schon mein Tagebuch, in das ich regelmäßig meine Gedanken schreibe. Gleich morgens nach dem Aufwachen ist dafür die beste Zeit, denn da sind die Träume noch klar und unverstellt. Da ich immer schon viel geträumt habe, war es naheliegend, auch meine Träume aufzuschreiben. Je öfter man seine Träume aufschreibt, umso besser wird das Erinnerungsvermögen. Ich habe das über die Jahre ein bisschen trainiert.

Wann wurde aus der Idee, die Träume mit Ihren Bildern zu verbinden, eine Serie?
Ich träume ziemlich oft vom Fotografieren selbst und wollte eigentlich immer schon eine Serie machen, in der ich Bilder, die ich im Traum fotografiert oder auch verpasst habe (Kamera kaputt, Film nicht eingelegt oder einfach die Kamera vergessen), tatsächlich fotografiere. Da ich aber als Fotografin ungern inszeniere, habe ich diese Idee bisher noch nicht umgesetzt. Irgendwann kam mir der Gedanke, zu den eindrücklichen Träumen einfach nach eigenen, bereits vorhandenen Motiven zu suchen, die ein ähnliches Gefühl erzeugen oder ähnliche Fragen aufwerfen. Begonnen habe ich die Serie letztlich im ersten Lockdown, denn durch die Entschleunigung habe ich noch intensiver geträumt als sonst, und das war dann der zündende Funke. Die Serie geht übrigens noch weiter, ich habe schon wieder gutes neues Traummaterial gesammelt.

Wie finden Sie die Bilder zu Ihren Träumen?
Die Arbeit funktioniert sehr assoziativ und intuitiv. Meist nehme ich geträumtes Material als Ausgangspunkt und dann fallen mir entweder existierende Bilder aus meinem Archiv ein oder ich stöbere, bis ich unerwartete Text-Bild-Kombinationen entdecke. Das ist ein Prozess, in dem ich kombiniere, verwerfe und manchmal auch neu fotografiere. Wie etwa das üppig grün eingewachsene Haus, das ich regelmäßig für ein Langzeitprojekt fotografiere und das mir für den Paris-Traum perfekt erschien. Also bin ich extra hin geradelt und habe dort gezielt ein Querformat für die Serie gemacht. In seltenen Fällen läuft es auch andersrum. Manchmal nehme ich bestehende Bilder, die für mich sehr traumhaft wirken und versuche dann, dazu einen passenden Traum zu finden. Das ist aber deutlich schwieriger, da mein Ausgangspunkt ja unbedingt echt geträumte Träume sein sollen, die ich nicht umschreiben möchte. Da bin ich ganz meiner Traum-Realität verhaftet und erfinde nichts hinzu.

Träumen Sie in Farbe oder in Schwarzweiß?
Witzigerweise haben wir bereits vor 20 Jahren in meiner Fotogruppe heiß darüber diskutiert, ob sich Träume in Schwarzweiß oder Farbe abbilden. Ein Freund von mir war der festen Überzeugung, dass Träume in Schwarzweiß stattfinden. Ich sehe das ganz anders, denn ich kann mich sehr wohl an Farben erinnern. Gerade kürzlich habe ich von einem Wildschwein geträumt, das hatte definitiv ein blaues Trikot an! Das war ein unvergessliches, lustiges Farbbild und auch sonst war die Szenerie in Farbe. Darauf könnte ich wetten! Ich stimme aber zu, dass in manchen Träumen Farbe keine Rolle spielt und sie auch wie ein Schwarzweiß-Bild aussehen können. Aber da würde ich keine kategorischen Aussagen machen. Deshalb habe ich mich entschieden, in meiner Serie beides zuzulassen, je nachdem, was den Traum oder die Stimmung am besten transportiert.

War die Neugestaltung Ihrer Homepage auch die ideale Gelegenheit, Ihr Archiv nochmals zu sichten?
Ja, das war es. Eine neue Website ist ja immer wie ein Neuanfang. Und da macht es Spaß, sich durch alte Archivschichten zu wühlen, sich in der eigenen Fotogeschichte zu verlieren und in Erinnerung zu schwelgen. Und im besten Falle vielleicht alte, vergrabene Schätze in neuem Gesicht an die Oberfläche zu heben.

Danke und weiterhin gute Träume!
(Interview: Ulrich Rüter)

Bildbeschreibungen und alle Bilder auf dieser Seite © Julia Baier
Equipment: Leica M10, Summicron-M 1:2/50 Asph und Summicron-M 1:2/35 Asph

Bild rechts: Ich träume grade wie wild. Heute Nacht war ich in meinem Traum bei der Geburt eines Kalbs dabei, welches kurzzeitig ein Fohlen war. Interessanterweise kam es nicht AUS der Kuh, sondern es verschwand IN ihr. Am Ende lag es erschöpft auf dem Boden und wurde von einem Pferd abgeleckt. Wie wandelbar die Dinge in Träumen doch sind!
Wieso träume ich eigentlich immer von meiner Ursprungsfamilie? Es vergeht keine Nacht, in der nicht eines der Mitglieder meiner großen Familie – von jung bis alt – vorkommt. Heute träumte ich vom Walther-Opa. Wir besuchten ihn in seinem Zuhause, er lag mit seinem Rechner im Bett und chattete fleißig. Ich musste schmunzeln, da er an die 100 Jahre alt war.
Ich habe heute Nacht von einem Psychopathen geträumt, und der war ausgerechnet auch noch mein Freund. Er hatte verblüffende Ähnlichkeit mit dem Joker. Ich war in größter innerer Not, da ich beim besten Willen nicht wusste, wie ich ihn loswerden sollte. Es war einfach schrecklich. Denn ich hatte Angst er würde mich umbringen. Immerhin schmiedete ich schon Fluchtpläne.
Das Hammerbild, das mir durch die Lappen ging, weil ich im Traum meine Kamera vergessen hatte: sonnenbadende Menschen in Bikinis liegend auf flachen Felsen mit Mulden, davor glasklares Wasser, dahinter Gebäude einer Stadt und nochmal dahinter eine malerische Schweizer Gebirgslandschaft. Idyllischer geht’s nicht.
Kurz vor dem Aufwachen war M. bei mir zu Besuch. Wir lagen einfach nur zusammen auf dem Boden, innig ineinander verschlungen. Eine ganze Weile. Ich strich ihm wie früher mit der Hand über seinen Hinterkopf.
Heute Nacht fiel mir meine Leica M10 runter und verschwand in der Ritze des Dielenbodens. Voller Schreck hoben wir die Dielen aus. Es kam ein ganzes Leica-Depot zutage, sogar eine M3 war darunter! Nur meine blieb wie vom Erdboden verschluckt.
Ich streifte mit meiner Kamera umher und dann das: Eine Frau saß halb im Gebüsch und machte sich an einer metergroßen Schweinshaxe zu schaffen. Sie war so ins Essen vertieft, dass ich mit meiner Kamera unbemerkt blieb. Vielleicht scherte sie sich aber einfach auch nicht um mich. Wie auch immer – in meinem Sucher verschwand ihr Kopf schließlich hinter der überdimensionierten Riesenschweinshaxe.
Mein Traum war fast schon zu Ende, da schwamm noch eine weiße Ente durch die Luft an der Baumkrone vorbei – wohlgemerkt, sie flog nicht, sondern sie schwamm. Das Bild hatte etwas ungemein Friedliches.
Ich wohnte in einer neuen Wohnung direkt unter dem Dach – mit Ausblick über die Dächer, ein wenig wie in Paris. Seltsamerweise hatte meine Wohnung einen unterschiedlichen Ein- und Ausgang, was mir lange Zeit nicht aufgefallen war. Oft war ich verwirrt, weil ich dadurch die Orientierung in der Wohnung verlor. Als ich es endlich verstanden hatte, musste ich lachen und sprang erleichtert über den Ausgang hinaus auf die gräulich glitzernden Dächer.
© Joanna Kosowska

Julia Baier

Geboren 1971 in Augsburg. 1991 bis 1995 Studium an der Universität Bremen, 1995 bis 2002 Grafikdesign an der Hochschule für Künste Bremen. Julia Baier arbeitet sowohl an persönlichen künstlerischen Projekten als auch im Auftrag für Magazine, Institutionen, Kunden und Agenturen. Sie hat zahlreiche Förderungen und Auszeichnungen erhalten. Seit 2019 ist sie Mitglied des Fotografenkollektivs UP. Sie lebt in Berlin.


Webseite
Instagram
Link teilen:
via E-Mail Mail
BLEIBEN SIE AUF DEM LAUFENDEN MIT DEN LFI NEWS CHANELS: LFI APP ZUM DOWNLOAD:
lfi
auf facebook
lfi
newsletter
lfi
app
Schließen