Not In Your Face

Susan Barnett

18. Dezember 2015

Susan A. Barnett führt ihr Langzeitprojekt Not In Your Face, das sie 2009 begonnen hatte, fort. Mit ihm hat sie nicht nur eine umfassende Typologie von T-Shirts erstellt. Sie versucht darüber hinaus, Formen der Porträtfotografie neu auszuloten.
Susan A. Barnett führt ihr Langzeitprojekt Not In Your Face, das sie 2009 begonnen hatte, fort. Mit ihm hat sie nicht nur eine umfassende Typologie von T-Shirts erstellt. Sie versucht darüber hinaus, Formen der Porträtfotografie neu auszuloten. Bevor sie nach Miami aufbrach, um ihre Serie dort auf eine neue Stufe zu stellen, sprach sie mit uns darüber, was ihre Leidenschaft befeuert und was sie sich für die Zukunft ihrer Arbeit wünscht.

Lesen Sie den kompletten Artikel in der LFI 1/2016.

Susan, an ihrem Langzeitprojekt Not In Your Face arbeiten Sie seit 2009, mittlerweile umfasst Ihr Archiv 2000 Bilder. Was treibt sie an, damit weiterzumachen?

Ich war immer schon an der Populärkultur und ihrem Einfluss auf unser Leben interessiert. Ich habe auch schon Projekte mit anderen Symbolen der Populärkultur gemacht, in diesem geht es um Menschen. Weil es sich um eine Typologie handelt, brauchte ich eine formal strenge Herangehensweise. Ich habe immer dasselbe Objektiv, dieselbe Brennweite und die gleiche Position im Bildausschnitt verwendet. Da Körper nun einmal länglich sind und ich den Schwerpunkt auf T-Shirts lege, war das Hochformat vorgegeben. Obwohl ich Tausende Bilder gemacht habe, kann ich mich dank der Kommunikation vor und während des Fotografierens an jedes einzelne Bild erinnern. Weil ich das jetzt schon seit Jahren mache, war es Zeit, einen kleinen Kurswechsel vorzunehmen.


Wohin soll der Kurs nun gehen?

Meine Fotos zeigen Rücken, man sieht nicht den Gesichtsausdruck der Person. Zu Beginn bildete die Aussage auf dem T-Shirt den Ausgangspunkt auf dem Weg zur Identität. Die Aussage ersetzte in gewisser Weise den Gesichtsausdruck. Indem ich den Gesichtsausdruck ausspare, leite ich die Aufmerksamkeit auf andere Charakteristika wie Tattoos, Frisuren und so weiter, Ausprägungen persönlicher Erfahrungen, zu denen man Vermutungen anstellen kann. Wenn ich also das Zitat auf dem T-Shirt weglasse, betone ich den Rücken. Ein T-Shirt umschmeichelt den Körper, es bekommt seine Kontur. Wenn man das T-Shirt ausblendet, steht der Rücken im Mittelpunkt, die Haltung wird zentral. Sie sagt eine Menge über das Leben eines Menschen aus, nämlich ob er sportlich oder sexy ist – etwas über seine oder ihre Identität. Zur Rückenansicht könnte man feststellen, dass etwas fehlt. Aber genau das Gegenteil ist der Fall, es kommt etwas hinzu: ein Rätsel! Es bewirkt, dass man sich andere Gedanken zu der fotografierten Person macht. Ich werde die Serie dahingehend weiterentwickeln, das T-Shirt wegzunehmen, und wie ich schon erwähnte, den Betrachter dahinbringen, nach anderen Anhaltspunkten zu suchen.


Die Umgebung gibt natürlich Hinweise darauf, mit wem wir es zu tun haben. Wie haben Sie es geschafft, eine Interaktion zwischen dem T-Shirt und dem Hintergrund einzufangen, denn oftmals steht der Aufdruck auf dem Hemd in Beziehung zu seiner Umgebung.

Ich sage oft, dass die Götter mir wohlgesonnen sind. Manchmal plane ich genau, wo ich mich positioniere und hoffe, dass dort ein passender T-Shirt-Aufdruck vorbeikommt. Die größere Frage nach meiner Vorbereitung ist mein Verhalten, meine Herangehensweise an die Leute, die ja Fremde für mich sind. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Sie fotografiere?“, diesen Satz habe ich schon über 3000 Mal gesagt. Um eine Zusage zu erhalten, muss ich die Leute im Bruchteil einer Sekunde überzeugen – sie fragen, ob sie sich umdrehen – und sich dann in einer sehr verletzlichen Position hinstellen um für mich zu posieren. Es geht ganz stark um Vertrauen. Wenn ich zögere oder mich nicht mit Vertrauen und Begeisterung für das, was mich mache, annähere, schlagen sie meinen Wunsch aus.

Sie definieren die Porträtfotografie neu, indem Sie dem Betrachter weniger Details zu einer Person an die Hand geben.

Wir wollen immer das Wer, Wann, Wo wissen und ein klassisches Porträt kann Antworten dazu liefern. Die Aussage auf einem T-Shirt legt den Leuten etwas in den Mund. Ich möchte zeigen, dass es da definitiv noch etwas anderes als das Gesicht gibt: charakteristische Erscheinung. Ich rolle die Frage nach Identität von hinten auf. Selbst wenn ich die Leute von hinten fotografiere, beginnen sie zu lächeln, weil man es eben so macht. Lustig, oder?
Carla Susanne Erdmann
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Susan Barnett

Susan Barnett+-

Geboren 1951 in New Jersey. „Ich bin vor und hinter der Kamera großgeworden“, beschreibt Barnett ihre Hinwendung zur Fotografie. Ihr Vater forderte sie schon in frühen Jahren mit kleinen Assignments heraus. Barnett hat einen BA in Kunstgeschichte und Kunst vom Marymount College, Tarrytown, New York.

Während der Studienzeit arbeitete sie in der Perls Gallery in Manhattan. Als diese 1997 schloss, studierte Barnett Grafikdesign und computergestützte Fotografie in New York, bevor sie in TriBeCa ein eigenes Studio, Schauplatz der ersten T-Shirt-Fotos, einrichtete. Mehr

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