Suna No Shiro

Kiên Hoàng Lê

10. März 2015

Für seine Abschlussarbeit im Fach Fotojournalismus und Dokumentarfotografie reiste Kiên Hoàng Lê nach Japan. Seine Abschlussarbeit Suna No Shiro ist jetzt als Bildband erschienen.
Für seine Abschlussarbeit im Fach Fotojournalismus und Dokumentarfotografie reiste Kiên Hoàng Lê nach Japan. Fünf Monate suchte er nach dem perfekten Thema, bis er in Tokio an einem Workshop mit Magnum-Fotograf Antoine d’Agata teilnahm und zufällig eine kleine Bar entdeckte.
Die Bar Suna no Shiro liegt versteckt im Rotlicht- und Vergnügungsviertel von Tokio und ist ein Treffpunkt für Sonderlinge, Künstler und Außenseiter. Die Atmosphäre in der Bar fesselte Kiên Hoàng Lê sogleich und der Workshop mit Antoine d’Agata bestärkte ihn darin, sich bei der Fotografie mehr auf sein Bauchgefühl zu verlassen. Daraufhin ließ er seine Mittelformatkamera liegen, und machte sich mit einer Leica M9 und einem Blitz auf, die Geschehnisse in der Bar festzuhalten.
Seine Abschlussarbeit Suna No Shiro ist jetzt als Bildband erschienen. Weitere Informationen finden Sie unter www.hoangle.de.


Suna No Shiro war das Projekt deiner Abschlussarbeit. Wie bist du auf die Idee gekommen?

Ab Oktober 2014 war ich mit einem Stipendium für ein halbes Jahr in Japan. Ich hab fast ganz Japan bereist und bin im letzten Monat in Tokio hängen geblieben. In der Fotografenbar Kodoji habe ich an einem Abend den Filmemacher Travis Klose kennen gelernt, der gerade eine Ausstellung in der Bar Suna no Shiro hatte. Wir sind dann rüber und dort versackt. Das war meine erste Nacht in Suna, weil nachts keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr in Tokio fahren. Nach meiner Rückkehr in Deutschland wurde mir ziemlich schnell klar, dass ich an einem besonderen Ort war. Es war dann nur noch ein kleiner Schritt hin zur Abschlussarbeit.


Was ist das besondere an der Bar? Was unterscheidet sie vom Rest Tokios?

Suna ist versteckt in einer Seitengasse und befindet sich im zweiten und dritten Stock. Touristen laufen nicht mal eben einfach rein – nur Eingeweihte finden den Weg. Das Suna zieht vor allem Künstler, Musiker, Crossdresser und Transgender an. Kurz, Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben. Mich hat die freie und exzessive Atmosphäre ungemein angezogen. Es schien keine Grenzen zu geben. Im Gegensatz zum sonst sehr zuvorkommend höflichen Auftreten der Menschen in Tokio waren die Menschen in Suna direkt und legten eine sehr offene, raue Art an den Tag.


Man sieht deinen Bildern an, dass du mitten im Geschehen warst. War es schwierig von den Gästen als Fotograf akzeptiert zu werden?

Ich war zunächst gar nicht als Fotograf dort. Die ersten Tage bin ich nur ins Suna gegangen, weil ich mich dort wohl fühlte und mit den Menschen dort feiern wollte. Erst später dämmerte es mir, dass ich es gern festhalten würde. Ich war aber nicht der Fotograf von außen, sondern der Teil einer Gruppe im Rausch. Meine Arbeitsweise habe ich den Umständen angepasst, weil es nicht mehr um Ästhetik und Bildkomposition ging, sondern um den Moment mit den Menschen. Es sind eher Bilder geworden, die ich meinen Freunden aus der Bar zeige. Je verrückter die Bilder waren, desto besser fand man sie.


In der Bar Suna no Shiro herrscht Ausnahmezustand. Hättest du es überhaupt noch länger dort ausgehalten, ohne bleibende Schäden davonzutragen?

Für meine Abschlussarbeit bin ich nach Tokio zurückgekehrt und habe nochmal zwei Monate die Nacht zum Tag gemacht. Zwei Monate tägliches Trinken, im Rausch sein und feiern haben ihre Spuren hinterlassen. Sowohl körperlich wie geistig bin ich an meine Grenzen gestoßen und habe sie einige Male überschritten. Ich hätte es nicht viel länger in dieser Frequenz durchgehalten. Die Wahrnehmung meiner Umwelt hatte sich schon merklich verändert. Aber ich will meine Zeit in Suna nicht missen, und wenn ich mal wieder in Tokio bin, besuche ich garantiert meine Freunde dort.
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Kiên Hoàng Lê

Kiên Hoàng Lê+-

Kiên Hoàng Lê ist in Hanoi, Vietnam geboren und in Bogensee in der Nähe von Berlin aufgewachsen. Seit 2009 arbeitet er als freier Fotograf. 2012 war er Fotograf der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. An der Danish School of Media and Journalism erhielt er 2013 den BA in Advanced Visual Storytelling. Mit Hilfe eines Stipendiums war Kiên auf Recherchereise in Japan, um anschließend sein Studium des Fotojournalismus und Dokumentarfotografie in Hannover abzuschließen. Kiên Hoàng Lê lebt in Berlin wird durch die Agentur FOCUS vertreten. Mehr

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