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30.07.2019

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Marcel Duchamp hat Anfang des 20. Jahrhunderts den Begriff des „Objet trouvé“ geprägt und seine Readymades zu Kunst erklärt. Das Objet trouvé bezeichnet nichts anderes, als einen beliebigen Gegenstand aus dem alltäglichen Leben in seiner einzigartigen Absonderlichkeit wahrzunehmen und ihn, durch die Darstellung seiner selbst, in den Stand eines Kunstobjektes zu erheben. Diese Idee, auf die Fotografie übertragen, ergibt das Foto Trouvé. Damit ist an dieser Stelle nicht der Ansatz des deutschen Fotografen Andreas Müller-Pohle in seinem Artikel Photo trouvé aus dem Jahre 1986 gemeint. Müller-Pohle bezog den Begriff „Photo trouvé“ auf die Auswahl des einen, gültigen Fotos aus vielen überschüssigen Negativen. Es ging ihm dabei um einen formalen Ansatz, der der Tatsache geschuldet war, dass der Fotograf in der analogen Ära nach der Aufnahme nie genau wissen konnte, wie die Aufnahme geworden war.

Ein Foto Trouvé kann sich darauf beschränken, ein einzelnes, gefundenes Objekt darzustellen. Hier ist die Nähe zum Objet trouvé der Dadaisten am größten. Chun Ming Chan scheint uns die Folgen eines hinterlistigen Angriffs auf einen Saugwurm in Taiwan zu zeigen, der beim Trinken brutal am Ohr verletzt wurde und dessen Kopf anschließend zwecks Vertuschung des Verbrechens notdürftig mit Klebeband am Boden fixiert wurde.
Nähert sich die Kamera einem Objekt, bis es in seiner Gänze nicht mehr erfasst wird, zerfällt es in Formen und Farben. Der Japaner Ikuo Inoue verwandelt auf diese Weise einen Stapel Stühle in eine atemberaubende Rhythmik vor einem schrillem Farbcocktail. Tritt der Fotograf einen Schritt zurück und stellt andere Elemente in Beziehung zu einem Objekt, sehen wir ein Stillleben. Elizabeth Cowle zeigt uns die gespenstisch verzauberte Schönheit eines kaputten Stuhls in einer verlassenen Gasse in Singapur. Jean-François Muguet ist auf Spurensuche im ländlichen Frankreich und rahmt mit einem Fußballtor ein Wäldchen, einen Mast und Stromleitungen zum Foto Trouvé ein, hier mit einem Bild im Bild. Will Yang bewahrt für uns die Erinnerung an eine rote Wand in Hongkong, die durch die zurück gelassene Ausrüstung eines Reinigungstrupps zum Foto Trouvé wurde und Michael Erimo hat einen Koffer in Paris gefunden, der eine Geschichte von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erzählt. Gaetano Iacolino schließlich zeigt, ebenfalls in Paris, dass ein Foto Trouvé auch ein intellektuelles Gedankenspiel sein kann. „Ne pas déranger“ steht auf dem Schild und bedeutet „Bitte nicht stören“. „Déranger“ heißt aber auch „durcheinanderbringen“ oder sogar „kaputt machen“. Die Installation im Schaufenster spielt mit diesen Bedeutungen und fordert damit ganz subtil zum zivilen Ungehorsam auf.
(Olaf Staaben)
Gaetano Iacolino
Ne Pas Déranger
„Mit meiner Fotografie bin ich immer auf der Suche nach der ‚anonymen Installation im öffentlichen Raum‘. In den Straßen suche und finde ich Bühnenbilder und Kunst, aber auch Theater und Ballett. In den nicht inszenierten Bildern versuche ich stets, das Profane und Bedeutungslose durch meinen Blick zu erhöhen. Auf der Suche nach Motiven für ein bestimmtes Thema verliere ich aber nie den Blick für ein überraschendes Sujet oder einen besonderen Moment. In meinen Arbeiten versuche ich immer, Gegensätzliches aufzuzeigen, um einen Kontrapunkt zu schaffen.“

Gaetano Iacolino, in Deutschland aufgewachsener italienischer Europäer, begeistert sich seit 1975 für die Fotografie und ist derzeit in freudiger Erwartung seiner Leica Q2.

Paris, Frankreich
X Vario mit Vario-Elmar 1:3.5-6.4/18-46 Asph

LFI.Gallery
Elizabeth Cowle
Kaputt
„Die Straßen von Singapur sind voll repräsentativer Geschäfte in farbenprächtiger, historischer Architektur. Ein unglaublicher Mix aus chinesischen, malaysischen und europäischen Elementen einer vergangenen Zeit. Ausgefallene Fliesen und Motive schmücken die Fassaden der Häuser und wunderschön gearbeitete Wendeltreppen verbinden zwei oder sogar drei Stockwerke. Die Gassen hinter diesen Häusern allerdings waren früher Zentrum eines Lebens jenseits der Straßen. Sie boten Zugang für Feuerwehr, Anschluss für sanitäre Anlagen, wurden zum Wäsche waschen genutzt und dienten den Kindern als Spielplatz. Heute sind diese Gassen still, gespenstisch und ohne Leben. So bunt und schön die Geschäfte vorn sind, war ich immer mehr von den Gassen dahinter fasziniert – voller Spuren, die Geheimnisse in sich tragen oder Geschichten erzählen: verrostete Rohre, veraltete Ausrüstung, verwilderte Ziergärten, weggeworfene Besitztümer, die früher Schätze waren und viele ‚kaputte‘ Dinge.“

Elizabeth Cowle, in Melbourne, Australien, geboren, lebt seit über zwölf Jahren in Singapur. Seit 2017 ist sie Mitglied der Royal Photographic Society (ARPS). Ihre Bilder wurden bereits ausgestellt und in Büchern veröffentlicht.

Singapur
M6 mit Summilux 1:1.4/35

LFI.Gallery
Ikuo Inoue
Gestapelte Stühle
„Mir fielen die Rohrstühle, die für einen Event nicht benötigt wurden und aufeinander gestapelt in der Ecke standen, sofort ins Auge. Der Balanceakt im Hintergrund drängte sich mir durch die entstandene Superform geradezu auf. Ich war fasziniert vom Rhythmus der Linien und der Fragilität des Turms aus Stühlen.“

Ikuo Inoue ist Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe in Oita, Japan, und hat erst im Alter von 55 Jahren die Fotografie für sich entdeckt. Derzeit gilt sein Hauptinteresse dem Bokeh rund um das Thema Blumen.

Beppu, Präfektur Oita, Japan
Q mit Summilux 1:1.7/28 Asph

LFI.Gallery
Jean-François Muguet
Rahmen
„Das Bild ist Teil des Langzeitprojekts Non important little things, in dem ich ländliche französische Regionen in moderner Zeit dokumentiere – keine Menschen, keine Effekte. Dieses Fußballtor steht in der Beauce, einer sehr flachen Gegend im nordwestlichen Frankreich, mit vielen Feldern und wenig Menschen. Ich mag solche Gegenden, denn es gibt viele Spuren zu entdecken. Das Tor war zwar alt und rostig, aber noch in Benutzung, denn das Gras war sauber und flach genug gehalten, um darauf spielen zu können. Ich hörte die Kinder und die Eltern förmlich, wie sie am Sonntag den Platz mit ihren Rufen und Schreien zum Leben erwecken. Wunderbarerweise ließen sich der Mast, die elektrischen Leitungen und das Wäldchen mit dem Tor einrahmen.“

Jean-François Muguet lebt in der Nähe von Paris und arbeitet als Presse- und Werbefotograf. Non important little things ist sein erstes Langzeitprojekt, es läuft auf Instagram.

Membrolles, Beauce, Frankreich
Q mit Summilux 1:1.7/28 Asph

LFI.Gallery
Instagram
Chun Ming Chan
Verwundet
„Ich habe das Foto in Taipeh aufgenommen, nachdem ich im Museum für zeitgenössische Kunst eine Fotoausstellung von Steve McCurry gesehen hatte. Ich war sofort von der Form der Wasserpumpe fasziniert, die für eine anstehende Reparatur vollständig mit Klebeband eingewickelt war. Nachdem ich näher gekommen war, sah ich Ketchup-Spritzer auf dem Boden und dachte sofort an verletzte Gliedmaßen: eine einsame, verwundete Kreatur, die darauf wartet, gerettet zu werden.“

Der in Hongkong geborene Chun Ming Chan widmet sich seit seiner Pensionierung als Banker 2014 ganz seiner lebenslangen Leidenschaft für die Street Photogaphy.

Taipei, Taiwan
X Vario mit Vario-Elmar 1:3.5-6.4/18-46 Asph

LFI.Gallery
Dr. Will Yang
Rot in Erinnerung
„Obwohl ich schon oft an dieser Wand vorbeigekommen war, habe ich sie bei dieser Gelegenheit das erste Mal fotografiert. Straßenreiniger hatten ihre Arbeit beendet und die rote Wand strahlte lebendiger als je zuvor. Die Wand gehört zum Pak-Shing-Tempel in Hongkong. Die chinesischen Zeichen 勝地 bedeuten: Hier ist ein Ort, an dem viele Menschen Räucherstäbchen verbrennen und Buddha verehren. In der chinesischen Kultur wird der Farbe Rot die Kraft zugesprochen, böse Geister zu vertreiben. Diese rote Wand gibt es nicht mehr. Seit der letzten Renovierung des Tempels ist dort nun ein zeitgenössisches Graffiti zu sehen. Ich glaube, die größte Kraft der Fotografie liegt darin, Geschichte und schöne Dinge zu bewahren.“

Dr. Will Yang, in der Biomedizintechnik tätig, erwarb 2013 seine erste Leica und streift seither fast jedes Wochenende durch die Straßen Hongkongs, um das tägliche Leben zu dokumentieren.

Hongkong, China
M (Typ 240) mit Summilux-M 1:1.4/35 Asph

LFI.Gallery
Instagram
Michael Erimo
Geschichte eines Koffers
„Gegen Ende, als die meisten Händler ihre Stände schon abgebaut hatten, bin ich auf den Flohmarkt an der Puces de Vanves gegangen, denn viele Händler lassen dort seltsame Dinge zurück. So fand ich diesen Koffer und er sprach zu mir aus einer anderen Zeit: Karomuster innen, ein alter, kaputter Griff und keine Räder. Für diesen antiken Koffer, inmitten von Kartons, Papier und einem alten Gemälde, war das Leben zu Ende. Während ich noch überlegte, wie ich den Koffer am besten fotografieren könnte, gingen zwei Reisende die Straße entlang, ihre Koffer hinter sich her rollend. Mit ihren modernen, ‚lebendigen‘ Koffern waren sie der perfekte Hintergrund als Kontrapunkt zu meinem Greis, der all die schönen Momente und fröhlichen Reisen lange hinter sich gelassen hatte. Für mich sind die Koffer Zeitreisende in einer Geschichte über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die zum Wesen der Fotografie gehört.“

Michael Erimo lebt in Paris und ist leidenschaftlicher Amateurfotograf mit besonderem Interesse für Street Photography und spontane Porträts seiner Zeitgenossen. Seine Betonung liegt auf Ausdrucksweisen, Looks und Situationen im Alltag.

Paris, XIV Arrondissement, Frankreich
M Monochrom mit Summilux-M 1:1.4/35 Asph

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