Denjiin Myanga

Sven Zellner

25. September 2020

Denjiin Myanga ist eine von unzähligen wilden Siedlungen, die sich im rasant wachsenden Speckgürtel der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar zu verlieren scheinen. Sven Zellner begleitete dort den turbulenten Alltag von sechs Geschwistern.
Eingeklemmt zwischen die riesigen Nachbarn Russland und China fristet die Mongolei, eines der am dünnsten besiedelten Länder der Welt, ein Schattendasein. Dennoch ist der Fotograf und Filmemacher Sven Zellner dem nordostasiatischen Steppenland verfallen und zieht aus jedem Besuch neue, intensive Eindrücke. Seine Fotoreportage über eine Nomadenfamilie am Rande von Ulaanbaatar liefert ein rohes und ungeschöntes Zeitdokument einer Lebensrealität von Heranwachsenden im Schatten der Großstadt.

Wie sieht der Alltag der Menschen in Denjiin Myanga aus?
Die Menschen leben in traditionellen Filzjurten, die Ger heißen, oder kleinen Häusern, die auf einem eingezäunten Grundstück (Khashaa) errichtet werden. Es gibt unbefestigte Straßen, die Wasserversorgung erfolgt aus Brunnen, Latrinen dienen als Toiletten. Die Winter sind sehr hart, Ulaanbaatar ist die kälteste Hauptstadt der Welt. In jeder Ger gibt es ein Herd zum Kochen und Heizen. Bestenfalls werden diese Öfen mit Kohle beheizt, aber in vielen Fällen wird Plastik verbrannt. Die Bewohner leiden sehr unter den schlechten Lebensbedingungen und der Luftverschmutzung.

Wer sind ihre Protagonisten?
Tsogbayar ist 15 Jahre alt und hat fünf Geschwister. Der Vater hat die Familie vor langer Zeit verlassen, die Kinder leben alleine mit ihrer Mutter Byambaa. Sie arbeitet in einem Schönheitssalon und ist deshalb selten zu Hause. Tsogbayar hatte ein geschwollenes blaues Auge, als ich ihn das erste Mal traf. Er war mit seinem älteren Bruder Tögi (16), seinem jüngsten Bruder Batholboo (8) und anderen Kindern aus der Nachbarschaft unterwegs. Sie hatten Kampfhunde dabei und hetzen sie aufeinander. Seine jüngere Schwester Hongorzul (11) erledigt den größten Teil der Hausarbeit wie Kochen und Putzen, während die Jungen herumstreunen. Ihr Spielplatz ist der Friedhof neben ihrem Khashaa. Die Jungen kletterten über die Friedhofsmauern und spielten im alten chinesischen Teil, aber sie halten sich von den mongolischen Gräbern fern, weil sie die Geister fürchten. Die Arbeit der Mutter bedeutet, dass tagsüber kein Schutz für die Kinder besteht. Sie besitzen insgesamt sechs erwachsene Hunde, die verhindern, dass unerwünschte Besucher ihr Khashaa betreten.

Was konnten Sie aus Ihrer Zeit in Denjiin Myanga lernen?
Unter den Nomaden habe ich sehr viel Geduld üben können. Man kann nicht alles planen und verabreden, wie man es sich vorstellt. Man muss die Dinge hinnehmen, wie sie kommen, und sollte nicht böse sein, wenn mal etwas anders läuft, als man es sich erhofft.

Mehr Fotos und ein ausführliches Interview mit Sven Zellner finden Sie in der LFI 7/2020.
Danilo Rößger
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Sven Zellner
EQUIPMENT: Leica M (Typ 240) mit Summicron-M 1:2/35 Asph

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© Gunsmaa Tsogzol
© Gunsmaa Tsogzol

Zellner studierte Bildgestaltung und Kinematographie an der HFF München und veröffentlichte seinen ersten Fotoband im Alter von 22 Jahren. Er ist Director of Photography von Filmen wie Walchensee Forever unter der Regie von Janna Ji Wonders sowie Schwarze Milch und Schau mich nicht so an unter der Regie von Uisenma Borchu. Er feierte sein Kino-Dokumentarfilmdebüt als Regisseur von Preis des Goldes. Seine Fotos erschienen unter anderem in GEO, DIE ZEIT, Das Magazin und Terra Mater. Mehr

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