Das Vermögen der Schönheit

Sheila Metzner

22. Juni 2020

Mit ihrer unverwechselbaren Bildsprache, bestimmt von Form, Farbe und Inszenierung, wurde Sheila Metzner Ende der 1970er-Jahre eine der wichtigsten Fotokünstlerinnen der Zeit. Wir sprachen mit ihr über Vorbilder, Einflüsse und ihre Art zu arbeiten.
Ihre Modeaufnahmen sind legendär, ihre Porträts und Stillleben außergewöhnlich. Mit ihrer unverwechselbaren Bildsprache, bestimmt von Form, Farbe und Inszenierung, wurde die New Yorker Fotografin Ende der 1970er-Jahre eine der wichtigsten Fotokünstlerinnen der Zeit. Ab Oktober ist ihr Werk Teil der Gruppen-Ausstellung America 1970/80s in der Berliner Helmut Newton Stiftung. Wir sprachen anlässlich ihres Portfolios in der aktuellen LFI-Ausgabe mit ihr über Vorbilder, Einflüsse und ihre Art zu arbeiten.

LFI: Was waren die entscheidenden Impulse für Sie, Fotografin zu werden?
Sheila Metzner: Ich war Art-Direktorin und habe mit Fotografen gearbeitet, die ich als Freunde kannte. Richard Avedon, Burt Stern, Bob Richardson, Melvin Sokolsky, Joel Meyerowitz, Garry Winogrand, Joel Peter Witkin, Robert Frank, Irving Penn, Bruce Davidson, Danny Lyon und Diane Arbus. Als ich mit ihnen zusammenarbeitete, war ich enttäuscht, denn was sie hervorbrachten, war nicht meine Vision. Nicht das, was ich in meinem Kopf sah, zeichnete oder mit Worten erklärte. Ihre Arbeit war die ihre, nicht meine. In der Zeit hatte ich nicht einmal eine Kamera. Als mein Sohn geboren wurde, kündigte ich meinen Job als Art-Direktorin. Ich erzählte meinem Mann, dass ich Fotografin werden wollte. Er sagte: „Toll! Ich werde dich unterstützen.“ Er war meine Muse, meine größte Inspiration, die Liebe meines Lebens und 44 Jahre lang mein Ehemann.

Sie nennen auch den Fotografen Aaron Rose als einen wichtigen Mentor.
Ja, er zeigte mir Fotografien, die ich inspirierend fand. Camera Work, Stieglitz, Steichen. Ich entdeckte Julia Margaret Cameron, Georgia O’Keefe und Man Ray. Aaron sah sich die Abzüge an, die ich jahrelang alle paar Monate in meiner Dunkelkammer mühsam herstellen musste. Er war sehr kritisch, da er ein Meister war. Nach etwa neun Jahren und vielen Besuchen in Museen und den wenigen Galerien für Fotografie, die es damals gab, verließ ich eines Tages das Guggenheim und sagte zu mir selbst: „Das reicht, du hast genug gesehen“. Als ich Aaron die 22 Abzüge zeigte, die ich damals anfertigte, sagte er nichts. Keine Kritik. John Szarkowski kaufte zwei meiner 22 Prints für seine Ausstellung Mirror and Windows im Museum of Modern Art. Ich war Fotografin.

Ein überzeugender Beginn. Kunst und Design spielen eine wichtige Rolle in ihrem Werk, was schätzen Sie insbesondere am Art déco?
Mein erstes Atelier war mein Zuhause. Eine riesige Wohnung in der Upper West Side von New York. Eines Tages sah ich in der Lobby außergewöhnliche Möbel. Ein Ehepaar zog gerade ein. Sie hatten einen Laden in der Madison Avenue namens Primavera. Sie waren auf Art déco und moderne Möbel aus der Mitte des Jahrhunderts spezialisiert. Da ich kein Studio hatte, ließen sie mich in ihrer Wohnung im sechsten Stock fotografieren. Ich lieh mir auch Objekte von anderen Händlern auf der Madison Avenue, so dass es eine Fülle von Material zum Ausleihen, Lernen und Dokumentieren gab.

Wie sind Sie bei Ihren visuellen Inszenierungen, dem Zusammenspiel von Modell und Objekten, Interieur und Figur vorgegangen?
Nichts in meiner Arbeit entwickelte sich spontan. Ich hatte immer einen Plan. Diese Fotografien sind Dokumente. Ich habe oft Zeichnungen angefertigt, bevor ich die Fotografie gebaut habe. Ich musste nach Objekten suchen, manchmal betteln, damit sie zu den Modellen passten.

Sie haben sich schon früh für eine Leica entschieden?
Meine Leica ist schwarz. Sie ist sehr alt. So alt wie das Original, das mir in den 70er-Jahren von meinem Mann Jeffrey geschenkt wurde. Leider wurde sie gestohlen und als ich das Versicherungsgeld erhielt, hätte ich mir eine neue digitale Leica kaufen können. In diesem Moment beschloss ich, die ursprüngliche Leica M4 und die vier alten Objektive, die ich hatte, zu ersetzen. Ein Leitz Summicron 50, ein Leitz Elmar 90, ein Leitz Super Angulon 21 und ein Nikor, Nippon, Kogaku 135. Ich wähle die Kamera, die meine Bedürfnisse, meine Vision erfüllt. Niemals andersherum. Mir wurde beigebracht, dass eine Kamera ein Werkzeug ist.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie heute auf Ihre Arbeit aus den 70er- und 80er-Jahren?
Ich mag die junge Frau, die diese Fotos damals gemacht hat. Und ich habe eine starke Zuneigung zu den Motiven, bis zum heutigen Tag. Die Bilder haben ein Eigenleben. Ich könnte sagen: ein ewiges Leben.

Weitere Informationen und ein ausführliches Portfolio finden Sie in der aktuellen LFI 05.2020.

Ab Oktober 2020 präsentiert die Helmut Newton Stiftung in Berlin ausgewählte Werke aus dem bemerkenswerten Œuvre der Künstlerin.
AUSSTELLUNG: America 1970s/1980s – Hofer, Metzner, Meyerowitz, Newton, 9. Oktober 2020 bis 16. Mai 2021, Helmut Newton Stiftung, Jebensstraße 2, 10623 Berlin
Ulrich Rüter
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Sheila Metzner

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Sheila Metzner and her daughters Ruby and Stella, New York 1988, copyright Alice Springs, courtesy Helmut Newton Foundation
Sheila Metzner and her daughters Ruby and Stella, New York 1988, copyright Alice Springs, courtesy Helmut Newton Foundation

wurde 1939 in Brooklyn geboren; nach ihrem Studium der Visuellen Kommunikation am New Yorker Pratt Institute begann sie 1961 in der Werbebranche zu arbeiten und wurde wenig später erster weiblicher Artdirector bei der Werbeagentur Doyle Dane Bernbach.
1968 Heirat mit dem Maler und Artdirector Jeffrey Metzner (1941–2008), der ebenso wie die fünf gemeinsamen Kinder vielfach in ihrer fotografischen Arbeit porträtiert ist. Autodidaktische Beschäftigung mit der Fotografie. Ab 1978 erste Ausstellungen. Der samtig-satte Einsatz der Farbe wird auch von Mode- und Kosmetikhäusern entdeckt. Ihre Motive leben von einer speziellen intimen Salonatmosphäre, in der kostbare Designobjekte und ausgewählte Attribute die porträtierten Personen begleiten. Sie lebt in New York. Mehr

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