Luminous Everest

Cira Crowell

25. Dezember 2018

Sie ist immer unterwegs – und das stets mit einer Leica im Gepäck: Auf ihren Reisen nützt Cira Crowell jede Gelegenheit, die Schönheit der Natur einzufangen. Oft muss sie dabei in extremen Verhältnissen wie dünne Luft, Minustemperaturen oder willkürlichen Witterungen arbeiten. Ihr jüngstes Projekt führte die Fotografin in das Himalaya-Gebirge, wo sie ihre eindrucksvolle Serie Mother Goddess realisierte.
Sie ist immer unterwegs – und das stets mit einer Leica im Gepäck: Auf ihren Reisen nützt Cira Crowell jede Gelegenheit, die Schönheit der Natur einzufangen. Oft muss sie dabei in extremen Verhältnissen wie dünne Luft, Minustemperaturen oder willkürlichen Witterungen arbeiten. Ihr jüngstes Projekt führte die Fotografin in das Himalaya-Gebirge, wo sie ihre eindrucksvolle Serie Mother Goddess realisierte.

Mother Goddess ist Teil eines eines größeren Projekts über den Mount Everest. Könnten Sie uns etwas mehr über dieses Projekt erzählen?

Cira Crowell: Es ist eine wunderbare Tatsache des Fotografenlebens, dass jedes Projekt zugleich Anregung und Inspiration für ein weiteres Unterfangen werden kann. Die Jahre, in denen ich humanitäre Projekte begleitet habe, führten zu Büchern, Shows und Vorträgen; diese machten auf die jeweilige Situation aufmerksam, brachten Fördergelder ein und trugen einmal sogar dazu bei, dass die Dächer eines ganzen Dorfes neu gedeckt wurden. Ich bleibe mit den Bewohnern in Verbindung und gehe sicher, dass die resultierenden Projekte auch wirklich hilfreich für ihre Gemeinschaften sind. Die hier gezeigten Fotos sind eine Auswahl aus meinem neuen Buch Luminous Everest – eine handgebundene Sonderausgabe bestehend aus 24 Bildern des Mount Everest, die über drei Jahre hinweg mit der Leica SL entstanden sind.

Es ging mir darum, zu entschleunigen und die vielen Stimmungen des Everests einzufangen, im Tageslicht und im Mondschein. Luminous Everest wird im Januar 2019 im Zuge einer Ausstellung auf dem Mountainfilm on Tour/Savannah Festival vorgestellt. Die Bilder vermitteln den geheimnisvollen Charakter und die Erhabenheit des Everests als Teil eines übergeordneten Himalaya-Projektes.

Was finden Sie an der Bergwelt, und insbesondere an der Everest-Region, besonders faszinierend?
Die hohen Berge sind körperlich anspruchsvoll, mental herausfordernd und spirituell bedeutungsvoll. Als höchster Berg der Welt ist der 8.848 Meter hohe Mount Everest eine weltweite Ikone. Für viele Alpinisten stellt seine Bezwingung die höchste Errungenschaft dar; das einheimische Sherpa-Volk wiederum verehrt ihn an als Chomolungma – Mother Goddess, die Muttergöttin. Der Mount Everest existiert einerseits in der Form eines vereisten Berges, andrerseits als Konzept in der Vorstellungskraft der Menschen: Er ist ein Spiegel, der die Absichten des Einzelnen reflektiert.

Mein Ziel war es, Bilder zu schaffen, die Kunst und Abenteuer miteinander verbinden. Ich arbeitete in einem Zustand der bewussten Achtsamkeit – stets offen für das, was Ansel Adams den ,,exquisit richtigen Moment” nannte. Manchmal wartete ich auch, bis eine Wolke weiterzog oder sich die Bedingungen verbesserten.


Mit dem Himalaya-Gebirge assoziiert man eine sehr unwirtliche Umgebung…
Das Everest-Gebiet stellt aufgrund seiner geographischen Lage und der extremen Bedingungen eine große Herausforderung für Fotografen dar. Aber es gibt auch unglaublich magische Momente, wie zum Beispiel bei meinem Bild ,,Everest Glory”. Als ich darauf wartete, dass sich der Himmel über dem Tal lichtete, gaben ein paar Wolken ein gebrochenes Abbild meines Schattens wieder. Ich hatte nur wenige Sekunden, um dieses flüchtige Phänomen einzufangen – aber die SL schaffte es ohne Probleme, sowohl den zarten Halbkreis des Regenbogens als auch den eindrucksvollen Mount Everest im Hintergrund einzufangen. Manchmal entstehen Bilder auf ihre ganz eigene Weise – egal, ob man mit einer Belichtungszeit von drei Minuten oder 1/500 Sekunden arbeitet.


Trotz des majestätischen Hintergrundes scheint die Gegend vollkommen menschenleer zu sein. Haben Sie auch Zeit in den Dörfern verbracht, oder waren Sie alleine unterwegs?
In der oberen Khumbu-Region befinden sich mehrere der höchsten Gipfel und Gletschertäler der Welt. Es ist eine alpine Region mit einem empfindlichen Ökosystem. Je höher hinauf man sich begibt, desto seltener und kleiner werden die Dörfer. Ich hatte das Glück, mit einheimischen Guides auf diesen Trek zu gehen, die nicht nur als meine Bergführer und Übersetzer fungierten, sondern mit denen mich aufgrund zahlreicher vorhergehender Treks bereits eine jahrelange Freundschaft verbindet.

Die Gestalt im Bild Everest is Calling ist meine gute Freundin, die Alpinistin und humanitäre Aktivistin Pasang Lhamu Sherpa Akita, mit der ich bisher mehr als 1.287km zurückgelegt habe. Darum ist dieses Bild, das sie auf den Pfaden ihrer Heimatregion zeigt, auch von einer sentimentalen Bedeutung. Sowohl beim Reisen als auch in der Fotografie geht es darum, zwischenmenschliche Verbindungen aufzubauen. Wir nehmen uns immer Zeit, in den Dörfern anzuhalten, wo wir nicht nur fotografieren, sondern auch sorgfältige Notizen machen. Wir hören uns die Geschichten, Erfolge und Anliegen der Menschen an, um ein tieferes Verständnis in das Projekt einfliessen zu lassen. Interesse, Einfühlungsvermögen und Respekt für andere Kulturen sind unerlässlich. Trotz aller Abgeschiedenheit trifft man auf diesen Pfaden Menschen aus aller Welt, die sich aus den verschiedensten Gründen auf den Weg zum Mount Everest machen.


Was waren die schwierigsten Herausforderungen auf dieser Expedition?
Die Höhenlage, extreme Temperaturschwankungen, schmale Pfade in Felswänden, unberechenbare Yaks und vorbeiziehende Tragtiere gehören zur täglichen Realität in der Khumbu-Region. Natürlich ist es von Vorteil, gut vorbereitet zu sein. Dazu zählen alpine Erfahrung und das Mitführen von Arzneimitteln ebenso wie die tägliche Wartung der Kamera-Ausrüstung und das Know-How, diese unter verschiedenen Bedingungen einzusetzen. Zum Beispiel wurde meine Vario-Elmarit SL 24-90 einmal von Streusand lahmgelegt, und es gab nur eine mögliche Lösung, die mir vor Ort zur Verfügung stand: Der Versuch, sie mit ein paar Tropfen Bratöl wieder zum Gleiten zu bringen. Das war auch erfolgreich, solange die Temperaturen über dem Gefrierpunkt blieben. Der Zoom funktionierte für den restlichen Trek, und wurde dann von Leica Deutschland repariert. Heute zeugen lediglich ein paar Kratzer am Objektiv-Tubus davon – was mir nach jahrelangem strapaziösen Einsatz ziemlich geringfügig erscheint.

Bedarf es eines speziellen Trainings, um sich auf diese extremen Bedingungen vorzubereiten, oder ist das Himalaya-Gebiet für jeden empfehlenswert?
Die Sherpa-Bevölkerung in Nepal besteht aus weniger als 5.000 Menschen, während die Anzahl von Touristen in der Khumbu-Region aktuell acht mal so groß ist. Die Infrastruktur wird zunehmend verbessert. Dennoch ist es keine Destination, die auf ,,die Allgemeinheit” ausgerichtet ist – nicht zuletzt aufgrund der Solarstrom-Versorgung, der begrenzten Lebensmittel- und Wasser-Ressourcen, der schmalen Trekking-Pfade, der kleinen, abgelegen Lodges, und der spärlichen Anzahl an Krankenhäusern. Die Everest-Region ist eine vollkommen andersartige Umgebung, die ausgiebiges Recherchieren und sorgfältige Vorbereitung verlangt. Man muss sichergehen, die nötigen Vorraussetzungen erfüllen zu können. Auch sollte man bereit sein, den Einheimischen mehr als ihren Mindestlohn zu bezahlen. Und man sollte die Fähigkeit besitzen, nicht nur sich selbst, sondern auch andere zu unterstützen und zu ermutigen – denn ein erfolgreicher Trek beruht immer auf Teamarbeit.

Körperliche Leistungsfähigkeit ist genauso wichtig wie fotografisches Können. Meine Bilder entstanden auf Wanderungen durch eine Region, in der es keine Straßen gibt. Die Dämmerungs- und Nachtbilder in Luminous Everest fotografierte ich, nachdem ich stundenlang auf über 5.500 Metern Seehöhe gewandert war und dann in Minustemperaturen gewartet hatte, um innerhalb eines Zeitfensters von wenigen Minuten einzufangen, wie sich das Licht über dem Mount Everest veränderte. Interessierten Fotografen würde ich empfehlen, erst einmal die Berge in ihrer Nähe zu erkunden: Geht auf Wanderungen in eurer Umgebung, klettert auf die Gipfel des Landes, in dem ihr wohnt, lasst euren Körper und Geist von der Natur trainieren. Findet heraus, wie es ist, mit Kleidung, Wasservorrat, Proviant und Kamera-Ausrüstung im Rucksack auf Wanderungen zu gehen – denn all das macht das Fotografieren um einiges mehr herausfordernd. Ich finde, wer sich auf die Berge vorbereitet soll auch wirklich im Gebirge trainieren. Ich habe das Glück, auf über 2.500m Seehöhe zu wohnen. Das heisst, ich akklimatisiere mich, indem ich auf Wanderwegen bis auf eine Seehöhe von 3.657m jogge. Dabei trage ich einen Rucksack, der dem Gewicht meiner Kamera-Ausrüstung entspricht, und simuliere wechselnde Witterungsbedingungen indem ich sowohl in der heißen Sonne als auch in der Abenddämmerung trainiere.

Es ist ungemein wichtig, genügend körperliche und mentale Kraft aufzubauen, um auch andere Team-Mitglieder unterstützen zu können. Ich setze auf Yoga und alpin-athletische Atemübungen, um dem Schmerz der Muskelbelastung auf großer Höhenlage entgegenzuwirken, und auch um beim Fotografieren mit manuellem Fokus meinen Körper zu kontrollieren, wenn meine Hände aufgrund der Kälte und des Sauerstoffmangels zittern. An langen Trekking-Tagen ist es wichtig, eine positive Einstellung zu bewahren und die Motivation im Team aufrechtzuerhalten.

Ihre Ausrüstung ist oft sehr umfangreich – diesmal hatten Sie zwei SL-Kameras und vier Objektive mit dabei. Wie hat sich Ihr Equipment in diesen extremen Bedingungen geschlagen?
Ich bin seit Jahrzehnten passionierte Leica-Fotografin, und habe bereits mit dem R-, M-, SL- und S-System gearbeitet. Gewohnheitsmäßig besteht meine Ausrüstung aus einem Gehäuse und maximal drei Objektiven, die ich hinsichtlich der zu erwartenden Lichtverhältnisse sorgfältig aussuche. Für diesen Trek fiel meine Wahl auf die leichtere, witterungsversiegelte Leica SL.

Meine Haupt-Objektive waren das Super Vario Elmar SL 16-35 und das Vario-Elmarit SL 24-90, da sowohl Autofokus als auch Witterungsversiegelung in diesem Fall ausschlaggebend waren. Zudem entschied ich mich noch für das Vario-Elmar R 80-200 und das Telyt R 500 – damit erweiterte ich meinen Brennweitenbereich bei minimalem Zusatzgewicht. Das Summicron SL75 ist und bleibt eines meiner Lieblingsobjektive; es ist kompakt und liefert wunderschöne Streulicht-Auflösung und Mikrokontrast. Nachts behielt ich die Kameras und Batterien oft in Körpernähe, um zu vermeiden, dass sie frieren. Sogar nach 800 Trekking-Kilometern in den letzten drei Jahren verwende ich immer noch meine ursprünglichen SLs, ebenso wie mehrere dreißig Jahre alte Objektive, die ich täglich mitnehme und einsetze. Ich kann also getrost sagen, dass meine Ausrüstung unglaublich robust ist, und dass es in allen Bedingungen eine reine Freude ist, damit zu arbeiten – von zuhause bis zu den Himalayas, und wieder zurück. Verschiedene Leica-Systeme mit der SL zu kombinieren ergibt eine stabile, robuste Ausrüstung die sich wunderbar dafür eignet, ein feinfühliges, stimmungsvolles Projekt wie Luminous Everest zu realisieren.
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Cira Crowell

Cira Crowell+-

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© Chas Curtis

Vor mehr als 25 Jahren erweckte die Leicaflex SL2 ihres Großvaters – die sie auch heute noch besitzt – Cira Crowells Leidenschaft für die Fotografie. Manchmal arbeitet die Fotografin mit Jahrzehnte alten Objektiven in Kombination mit ihrer Leica SL. In ihren Fotos, Skizzen und Animationen experimentiert Crowell mit Licht und Schatten, und widmet sich vor allem der Schönheit unseres Planeten. Bisher wurden Cira Crowells Arbeiten u.a. in New York und der Leica Gallery Los Angeles ausgestellt. Mehr

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