Seeing Science: How Photography Reveals the Universe

Marvin Heiferman

30. Juli 2019

Seeing Science ist eine vielschichtige, anregende, immer fachkundige, aber manchmal auch sehr kuriose Vorstellung der komplexen Beziehungen von Wissenschaft und Fotografie.
In diesen Tagen jährte sich zum 50. Mal die erste Mondlandung. Mit Neil Armstrong hatte erstmals ein Mensch auf dem Mond sichtbare Spuren hinterlassen. Die Bilder von ihm und seinem Partner Buzz Aldrin, die während ihrer ersten Wanderung entstanden, haben Geschichte geschrieben – nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Vorstellung des Mondes. Als eines von 68 Kapiteln darf auch dieser historische Moment daher nicht in dem neuen Buch des US-amerikanischen Kurators und Kulturwissenschaftlers Marvin Heiferman fehlen. Seeing Science ist eine vielschichtige, anregende, immer fachkundige, aber manchmal auch sehr kuriose Vorstellung der komplexen Beziehungen von Wissenschaft und Fotografie. Alles andere als staubtrocken schafft es der Autor immer wieder, neue Assoziationsketten zum Verständnis der Welt und von der Bedeutung der Fotografie für die Wissenschaft zu knüpfen.

Röntgenfotografie oder Sonografie gehören längst zum Alltag in den Arztpraxen; Fotografien spielen eine zentrale Rolle in der Vermittlung medizinischer Informationen, der Diagnose und der Behandlung. Bilder des menschlichen Körpers in all seinen Facetten und Schichten werden immer präziser. Doch es geht um weit mehr, als nur um den Menschen. Heifermans Reigen geht von der Ornithologie, Astronomie, Genomik über Beispiele aus Physik und Chemie bis hin zur Ökologie, aber auch der Virtual Reality. Und gerade in Zeiten des Klimawandels liefern wissenschaftliche Bilder immer häufiger beste Argumente. Heifermans eigene Texte werden von Interviews und Zitaten vieler Wissenschaftler und Fotografen ergänzt. Das Buch gliedert sich in drei Hauptkapitel „Wissen“, „Kultur“ und „Vorstellung“. Wissenschaftliche Bilder können nicht nur als Mittel der Information gesehen werden, sondern auch als ästhetische und bewegende Kunstwerke. Und sie sind fähig, eine Gesellschaft zu verändern, zumindest tradierte Einstellungen zu hinterfragen. Komplexe Zusammenhänge benötigen manchmal eben nur einer überzeugenden Visualisierung, um allgemeines Verständnis zu erzeugen.

Bekannte Klassiker der Fotografie wie Anna Atkins, Eadweard Muybridge, Carl Strüwe oder Harold E. Edgerton, die sich schon früh für die Entdeckung der Welt aus wissenschaftlicher Perspektive interessierten, sind in dem Buch vertreten, aber auch zeitgenössische Bildkünstler wie Nancy Burson, Joan Fontcuberta oder Trevor Paglen sind neben vielen völlig unbekannten Fotografen zu finden. Wer wissen möchte, was Robert Rauschenberg mit der Mondlandung oder der ehemalige US-Präsident Barack Obama mit einer Marshmallow-Kanone zu tun haben, der wird in dem Buch überraschende Antworten entdecken.

Schon das letzte Buch Heifermans von 2012, Photography Changes Everything, war ein spannendes, vielschichtiges Werk. Mit seinem jüngsten Bildband hat der Autor es wieder geschafft, keine klassische Fotografiegeschichte zu verfassen, sondern mit einem anregenden Parforceritt durch die verschiedenen Gebrauchsformen der Fotografie für besten Erkenntnisgewinn zu sorgen.
(Ulrich Rüter)

224 Seiten, über 300 Schwarzweiß- und Farbabbildungen, 26 x 22 cm, englisch, Aperture (in Kooperation mit der University of Maryland, Baltimore County)
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Marvin Heiferman

Marvin Heiferman+-

Marvin Heiferman (*1948) entwickelt Projekte zur Fotografie und visueller Kultur für Institutionen wie das Museum of Modern Art, die Smithsonian Institution, das International Center of Photography, das Whitney Museum of American Art, das New Museum und das Carnegie Museum of Art. Heiferman hat für zahlreiche Publikationen, Monographien, Zeitschriften und Blogs geschrieben, darunter die New York Times, CNN, Artforum, Design Observer, Art in America und Aperture. Er ist Autor/Herausgeber von über zwei Dutzend Büchern über visuelle Kultur, einschließlich Photography Changes Everything (Aperture/Smithsonian, 2012). Mehr

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