Buch des Monats - I wish to see where the winds meet

29. März 2016

Muss ein Buch eigentlich immer gebunden sein und eine feste Seitenabfolge haben? Natürlich nicht, das zeigt beispielsweise die neue Publikation des in Paris lebenden britischen Künstlers Christian Bragg.
Muss ein Buch eigentlich immer gebunden sein und eine feste Seitenabfolge haben? Natürlich nicht, das zeigt beispielsweise die neue Publikation des in Paris lebenden britischen Künstlers Christian Bragg (*1979): Bei $italics:I wish to see where the winds meet$ handelt es sich eher um ein Objekt, denn um einen Bildband. Zwei Ringe halten die zwischen zwei starke Kartonpappen eingelegte Blattsammlung zusammen, deren dünne Einzelblätter erst im Auseinanderfalten ihre Geheimnisse preisgeben. Der poetische Titel ist Programm und diese Publikation kann ganz schnell zu einer Installation werden – so wie sie bis zum 1. Mai im Berliner Tumuult Studio auch zu besichtigten ist.

Porträts, Landschaftsaufnahmen, Stadtimpressionen, Stillleben: ganz unterschiedliche Motive werden in dieser Zusammenstellung in freier Assoziation zusammengebracht. Der Künstler gibt keine Vorgaben, wie oder in welcher Reihenfolge die unterschiedlichen Formate zueinander in Beziehung gesetzt werden sollten, nur die Druckbögen geben eine gewisse Ordnung vor. Die einzelnen Motive stehen für Erinnerungen an eine Reise Braggs. Mit seinen zarten, oft dunkeltonigen Schwarzweißfotografien, aufgenommen mit einer Leica M7, dokumentiert der Künstler eine Art Selbstfindungstrip: Sein Projekt ist für ihn ein „mit Bildern geschriebener Roman“, in dem er die Geschichte seiner Reise anhand visueller Fragmente erzählt und damit dem Betrachter viel Raum für eigene Interpretationen lässt.

Seine analoge Schwarzweißfotografie kombiniert Wandel und Ruhe, Klang und Stille. Erinnerungen sind flüchtig und auch Braggs Motive halten nur sehr subjektiv einzelne Momente und Stimmungen fest. Lässt man sich auf die experimentelle Art der Seitenaufhängung ein, so können auch die Blätter – vom Wind bewegt – neue Wahrnehmungs- und Deutungsmuster erzeugen. Bragg zweifelt damit an dem gängigen Verständnis von Fotografie als Dokument oder realer Abbildung. Sein Projekt will nicht weniger als den Versuch unternehmen, „das fotografische Bild von Begebenheiten in Zeit und Raum abzulösen, das wegzunehmen, was durch bewusstes Erkennen leicht identifizierbar ist, und genügend Relikte zu streuen, damit die tieferen Bewusstseinsschichten jene Wiederholungen, die uns aus einer früheren Zeit zurückholen, mit Gefühl aufladen. Welch’ Unschuld des Gedächtnisses. Erinnerung als wahr erlebt, jenseits des Aktuellen. Welch’ Unschuld des Sehens.“

Lässt man sich auf diese Reise ein, so hat man auf jeden Fall ein besonderes Objekt erworben. Die auf 280 Exemplare limitierte Edition im Offset-Druck kann über Plac’art Photo in Paris erworben werden. Die ersten 50 Exemplare beinhalten eine signierte Heliogravur. Darüber hinaus gibt es die Publikation als handgearbeitete und streng limitierte Artist Edition mit 20 Heliogravur-Drucken (erstellt von Fanny Boucher im Atelier Helio’g) – ganz sicher ein seltenes, exklusives Sammlerstück.

Am 7. April findet bei Plac’art Photo in Paris eine Buchpräsentation mit dem Künstler statt. Weitere Informationen unter: Plac’art Photo

Christian Bragg
I wish to see where the winds meet
Auflage: 280
16 Blätter, inkl. 8 in 50×50 cm und 1 Leporello 25×83 cm
Englisch, französisch und deutsch

www.tumuult.com
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