Buch des Monats - Road Wallah

11. Februar 2016

Knallige Farben, skurril-witzige Situationen: Dougie Wallace’ Aufnahmen der indischen Kulttaxis, den Kaala-Peeli, sind ebenso faszinierend wie außergewöhnlich. Sein Buch Road Wallah ist eine liebevolle Hommage an die beliebten Fahrzeuge.
Wer jemals das permanente Verkehrschaos von Mumbai, die Stadt in Indien mit der höchsten Dichte bei Bevölkerung und Verkehr, erlebt hat, wird selbst die schlimmste Rush Hour einer mitteleuropäischen Großstadt als harmlosen Stau empfinden. Zum Verkehrsbild Mumbais gehören seit den 1960er-Jahren auch die Padmini-Taxis, die schwarz-gelben Kisten des indischen Autoherstellers Premier, denen der Londoner Fotograf Dougie Wallace nun ein bibliophiles Denkmal setzt. Über vier Jahre hat er sich immer wieder in diese auch als Kaali-Peeli bezeichneten Autos gequetscht und Fahrer samt Kunden in direkter Nahsicht fotografiert.
Die Kaali-Peeli sind in Mumbai eine Sehenswürdigkeit wie die Yellow Cabs in New York oder die schwarzen FX4-Taxis in London. Doch jetzt geht es den Vehikeln an den Kragen: zwar sind die Taxis auf Grund der bunten, individuellen, oft eigenwilligen Innenraumgestaltungen der Besitzer längst legendär, doch sie sollen die ohnehin schlechte Luft der Metropole besonders schlimm verpesten. So beschloss die Stadtbehörde, allen Taxis, die älter als 20 Jahre sind, die Wiederzulassung zu verweigern. Einst waren es über 60.000 Taxis, jetzt werden sie in den nächsten Jahren komplett verschwinden. Man verspricht sich durch die nachfolgenden Taxi-Modelle bessere Luft und mehr Fahrkomfort, doch die Originalität der Auto-Ikonen wird fehlen. Daher ist der Bildband Road Wallah von Dougie Wallace ein Requiem. Seine Aufnahmen dieser aufwendig dekorierten Bollywood-Discobars auf Rädern, aufgemotzt mit enormen Lautsprechern, exzentrischen Interieurs mit schrill-farbenfroh ausgepolsterten Sitzbezügen oder mit allen verfügbaren Hindu-Göttern versehenen Armaturenbrettern, zeigen eindrücklich, warum diese Taxis Kultstatus haben. Mit seinen direkten Aufnahmen hat Wallace die passende fotografische Umsetzung gefunden.
„Menschliches Verhalten motiviert meine Bilder. Menschen, ihre Interaktionen und ihre Emotionen faszinieren mich ... Das durch mein Objektiv in sozialen Witz, Kritik und humorvolle Studien zu übersetzen ist das, was mich anregt“, so der Fotograf. Neben aller Folklore hat das Verschwinden der alten Taxis auch dramatische Konsequenzen für viele der unabhängig arbeitenden Fahrer: Für sie ist das Verbot der Padminis eine Katastrophe, denn ein neues Modell können sich die meisten kaum leisten.

Der in Schottland geborene und seit über fünfzehn Jahren in East London lebende Fotograf gehört zu den auffälligsten Vertretern zeitgenössischer Streetphotography. Seit einigen Jahren sorgt Wallaces unverkennbarer Stil für Furore, seine Bilder werden längst auch in den großen internationalen Magazinen gedruckt. Nach den Büchern Stags, Hens & Bunnies (Dewi Lewis Publishing, 2014) und Shoreditch Wildlife (Hoxton Minipress, 2015) hat er nun seinen dritten Bildband publizieren können – erfreulicherweise in einem Format, das die zumeist doppelseitig gedruckten Bilder noch unmittelbarer wirken lässt. Ulrich Rüter

Dougie Wallace
Road Wallah
96 Seiten, 65 Farbabbildungen
37 x 28 cm, englisch
Dewi Lewis Publishing
1/8
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