Human

22. April 2015

„Das Besondere ist sein unvergleichlicher Blick auf seine Umgebung, voller Empathie aber auch mit Humor, und wie er es immer wieder schafft, Bilder des Alltags zu produzieren, die alles andere als alltäglich sind.“
„Seit Oktober 2014 vertrete ich Viktor Kolár exklusiv und kümmere mich vor allem um die bessere Präsenz seiner Arbeit in den wichtigsten öffentlichen und privaten Sammlungen. Das Besondere ist sein unvergleichlicher Blick auf seine Umgebung, voller Empathie aber auch mit Humor, und wie er es immer wieder schafft, Bilder des Alltags zu produzieren, die alles andere als alltäglich sind. Seine Resonanz, vorwiegend bei erfahrenen Sammlern zeitgenössischer Kunst, ist eine weitere Bestätigung seiner herausragenden Arbeit.“ Roland Angst, Only Photography


Eingeprägter Titel auf bildlosem Cover, offene Fadenheftung, zurückhaltend gestaltet und sehr gut gedruckt. Human ist eine gewohnt sorgfältig produzierte Publikation aus dem kleinen Verlag Only Photography des Berliner Galeristen Roland Angst. Hier handelt es sich um eine Serie des tschechische Fotografen Viktor Kolár, die Bilder seiner Heimatstadt Ostrava aus mehreren Jahrzehnten umfasst. In der Auslage des Buchhändlers leuchtet das orangefarbige Buchcover auffällig. Und man ist geneigt zu sagen: Beim Aufklappen des Buches setzt sich das Leuchten in den darin versammelten Schwarzweiß-Arbeiten umso stärker fort.

In einem Bild legt sich ein gleißender Lichtstrahl wie eine Schranke über die Straße und scheint damit unüberwindbar für die darauf zu eilenden Passanten. In einer anderen Szene hängen strahlend weiße Tücher zum Trocknen an einer langen Wäscheleine. Im Hintergrund fährt über einen Schienenweg ein Transportzug. Von einer Lore wird flüssiges Roheisen abgekippt, das sich wie ein riesiges, weißes Laken über die einsetzende Dunkelheit hüllt. Einmal lässt uns Kolár eine Straße entlang blicken, an der in regelmäßigen Abständen Leute am Rand stehen. Im Vordergrund kehrt uns eine Frau den Rücken, sie scheint in merkwürdiger Andacht. Ihr flirrend weißer Mantel und ebensolche Schuhe unterstreichen das Traumhafte dieser Szene. Kolár sagt, er sei von Cartier-Bresson sowie vom Surrealismus eines Andre Bretons beeinflusst. Tatsächlich setzt sich das in seinen Bildern nieder: Er ringt der Situation den „entscheidenden Moment“ ab. Dieser aber scheint keine objektiv gegebene äußere Wirklichkeit wiederzugeben, sondern eine, die das Reale mit dem Traumhaften verbindet.

Mal ist man von dem Witz, mal von der Schwermut, die durch die surrealen Bilder ziehen, überwältigt. Die Szenen wirken so perfekt verdichtet, als hätte Kolár den Menschen, Tieren und Gegenständen genaue Regieanweisungen gegeben. Aber der Fotograf begreift, dass das Leben selbst Regisseur ist, welches die Szenen schafft und er der genau beobachtende Kameramann, der die Szenen kadriert. Dabei gelingt ihm genau das richtige Maß für Perspektive, Kontrast und Unschärfe. So findet man wirklich keine Arbeit, die abfällt, in dem Zyklus über die verrußte Industriestadt, die einst mächtiges Zentrum der Stahlindustrie war und sich heute in einem dramatischen Strukturwandel befindet. Die älteste Arbeit im Buch datiert von 1965; das letzte Foto ist gerade mal drei Jahre alt. Die Szenen entziehen sich jeder chronologischen Ordnung, fließen ineinander und schaffen eine generelle Erzählung: über die Wechselbeziehung von Arbeit und Mensch, von Industrie und Natur und sie berichten über die tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die den Menschen zurecht schleifen.

Viktor Kolár hat, wie man der angefügten Biografie entnimmt, selbst ein wechselhaftes Leben. Er, der zunächst verschiedenste Berufe ausübt, emigriert nach dem Scheitern des Prager Frühlings, kehrt nach wenigen Jahren in den erstarrten Sozialismus zurück und kann erst 1984 seine Leidenschaft zum Beruf machen. Aber Kolár ist ein brillanter Beobachter mit langem Atem, er selbst bezeichnet sich als „Langstreckenläufer“ in Bezug auf die Fotografie. Dieser Zyklus, der so viele Jahre umspannt, fügt sich großartig zusammen und man hofft, dass Buch und Ausstellungen dem ausdauernden Fotografen die Aufmerksamkeit verschaffen, die er verdient. Peter Lindhorst


Viktor Kolár – Human
Only Photography Berlin 2015.
80 Seiten mit 61 Fotografien
39,00 Euro, www.only-photography.com

Ausstellung: Viktor Kolár - Fotografien im Sprengel Museum in Hanover bis zum 31. Mai 2015, www.sprengel-museum.de
Ausstellung: Viktor Kolár – Human in der Only Photography Galerie in Berlin bis Mitte Mai 2015, www.only-photography.com
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