Somewhere in the Mountains – Somewhere in the Sea

Alisa Martynova

27. August 2021

Nach dem Ende des ersten Lockdowns im letzten Sommer war die Fotografin in abgelegenen Gebieten der Dolomiten und am Strand des Lido di Venezia unterwegs und porträtierte die Leute, die sie auf ihren Wanderungen zufällig traf.
Die Freiheit der Berge, die Weite des Meeres: Nach dem Ende des ersten Lockdowns im letzten Sommer war die Fotografin in abgelegenen Gebieten der Dolomiten und am Strand des Lido di Venezia unterwegs und porträtierte die Leute, die sie auf ihren Wanderungen zufällig traf.

LFI: Was war der erste Impuls für Ihre neue Serie?
Alisa Martynova: In dem Moment, als die Einschränkungen nachließen, verspürte ich nicht den Drang, auf Partys oder andere gesellschaftliche Ereignisse zu gehen. Im Gegenteil, ich fühlte mich oft unwohl inmitten von Menschen und war übervorsichtig. Aber es trieb mich nach draußen an die frische Luft und zu neuen Horizonten. Das waren der Lido und die Dolomiten, wo ich wusste, dass ich mich in der wilden, offenen Landschaft wohlfühlen würde. Diese Orte brachten mich auf die Idee zur Serie. Ich sah in ihnen das Spiegelbild meiner Gedanken und traf viele Menschen, die allein oder in kleinen Gruppen unterwegs waren.

Die Begegnungen waren immer ganz zufällig?
Ja, alle Leute, die ich fotografiert habe, waren mir völlig fremd. Sie anzusprechen war eine Art Heilmittel für mein plötzliches asoziales Verhalten.

Wie waren die Reaktionen?
Es war eine schöne und überraschende Sache, alle schienen freundlich und bereit für ein Porträt. Ich kann ja nie davon ausgehen, dass eine Person akzeptiert, porträtiert zu werden, denn zunächst gibt es immer den Moment der Verlegenheit. Aber interessanterweise konnte ich auf meinen Wanderungen feststellen, dass die Leute sich oft besonders geehrt fühlten, fotografiert zu werden. Die Wiederherstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen nach einer langen einsamen Zeit könnte dabei eine Rolle gespielt haben.

Das Alleinsein ist eine universelle Erfahrung der letzten Zeit – haben Sie versucht, Bilder hierfür zu finden?
Ich kann nicht sagen, dass ich nach irgendeiner Art von Bildern gesucht habe, es war ein rein intuitives Projekt. Für mich war es fast ein Experiment, als ich beschloss, einfach zu sehen, was passiert, wenn ich die Kamera überallhin mitnehme. Was das Alleinsein betrifft, so bin ich der Meinung, dass man sich in der Natur fast nie allein fühlt. Sich in den Weiten und Geräuschen zu verlieren, sich zu entspannen, sich wieder mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden – man kann nicht einfach nur träumen, wenn man am Rande einer Klippe wandert. Es gibt Tausende von Dingen, die deine Aufmerksamkeit brauchen, Wälder, Berge und Flüsse legen sich wie eine warme Decke um dich.

Welche Rolle spielen Landschaft und Natur für Sie – als Orte der Flucht, als Erholungsraum, als Ausgleich?
Alle drei. Die Antworten auf diese Fragen schreibe ich auf der Terrasse eines kleinen Landhauses inmitten der Wälder der Toskana. Es ist fast Nacht, und ich höre alle möglichen Geräusche um mich herum, Zikaden, Vögel, das Quietschen des Hausdaches, Tiere, die Blätter und Äste bewegen. Ich persönlich empfinde es als entspannend, aufbauend und konzentrationsfördernd zugleich. Mein größter Wunsch ist, dass die Menschen wieder in Kontakt mit der Natur kommen und ihre Beziehung zu ihr überdenken. 

Ihre Serie Nowhere Near haben wir auf dem LFI-Blog und im LFI-Magazin 2/2021 präsentiert.
Ulrich Rüter
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Alisa Martynova
EQUIPMENT: Leica SL mit Apo-Summicron-SL 1:2/35 Asph.

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Alisa Martynova_portrait_Francesco Levy
© Francesco Levy

...wurde 1994 in Orenburg, Russland, geboren. Nach dem Abschluss ihres Philologiestudiums in Russland hat sie bis 2019 ein Fotografiestudium an der Fondazione Studio Marangoni in Florenz absolviert. Martynova ist Mitglied der Fotoagentur Parallelo Zero; sie lebt und arbeitet in Florenz. Mehr

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