Winter in New York

Adam Miller

22. Januar 2019

Wenn Winterstürme die Straßen leer fegen, machen es sich die meisten Menschen in ihren Wohnungen gemütlich. Nicht so Adam Miller: Gerade das ungemütliche Wetter zieht den Fotografen auf die Straßen seiner Heimatstadt New York. Ganz im Sinne der klassischen Street Photography entwirft er Bilder, die charakteristisch für diese Stadt sind – und zeigt damit, dass widrigste Bedingungen für die spannendsten Motive sorgen können.
LFI: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Menschen in Schneestürmen zu fotografieren?
Adam Miller: Der Winter ist meine Lieblingszeit, um auf der Straße zu fotografieren. Ich liebe, wie die tiefstehende Sonne mit den langen Schatten der kurzen Tage in den engen Häuserschluchten von New York City interagiert. Es gibt so viele Möglichkeiten, den Schatten und die natürlichen Kontraste zu nutzen, um einzigartige Fotos zu schießen. Der Winter ist eine Zeit, in der man über den Tellerrand hinausschaut und seine kreativen Säfte fließen lassen kann.
Ich war schon immer fasziniert, wie die New Yorker – viele von ihnen recht erbärmlich vorbereitet – eilig durch die Stadt huschen und dabei ihr Bestes geben, um nicht auszurutschen, während sie Graupelkörner und Wind um die Ohren geblasen bekommen. Ich liebe es, wie der Schnee einen Schleier von verschiedenen Mustern über unserer schönen Stadt bildet. Es ist alles so surreal!

Es muss schwierig sein, unter diesen extremen Bedingungen zu fotografieren. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Foto-Expeditionen vor?
Ich gebe zu, dass mich der starke Wind und der kalte, nasse Schnee zunächst etwas eingeschüchtert haben. Ich wusste nicht, wie mein Equipment mit diesen extremen Elementen über einen längeren Zeitraum umgehen würde. Im ersten Schneesturm nahm ich oftmals Deckung und schoss sehr vorsichtig. Ich verliebte mich aber sofort in die Ergebnisse, obwohl sie nicht ganz dem „up close and personal”-Ansatz entsprachen, der meinen Stil eigentlich definiert. Nach ein paar weiteren Shootings wurde mir klar, dass meine Leica-Ausrüstung der Feuchtigkeit und Kälte sehr gut trotzt, sodass ich mehr Vertrauen in die Widerstandsfähigkeit meines Werkzeugs gewann.
Nachdem ich mich von meinen anfänglichen Hemmungen lösen konnte, kann ich mitten im Geschehen arbeiten. Ich bin jetzt in meinem siebten Jahr der Schneesturm-Fotografie, und meine Begeisterung für das Projekt wächst und entwickelt sich mit jedem Blizzard weiter!
Zur körperlichen Vorbereitung trage ich viele Schichten unter meinem schweren Wintermantel und meiner Schneehose, dazu normalerweise Schneestiefel. Ich stopfe zahlreiche extra große Handwärmer in meine Taschen und packe viel Folie und zusätzliche Batterien ein. Wenn ich sie nicht benutze, versuche ich die Kamera in meiner Regenjacke versteckt zu halten. Trotz der ganzen Vorbereitung schaffe ich es dann und wann aberimmer noch, von Kopf bis Fuß völlig durchnässt zu sein, wenn ich nach einem Arbeitstag nach Hause komme!

Street Fotografen warten oftmals stundenlang auf den richtigen Moment – ein Vorhaben, dass im tiefsten Winter relativ schwer umzusetzen ist... Haben Sie da einen anderen Ansatz?
Ich probiere, Menschen zu finden, die für mich interessant aussehen und lasse sie so nah wie möglich an mich herankommen, während ich einen gewissen Kontext beibehalte und sie dann mit Blitz fotografiere. Ich möchte die Passanten einfangen, wie sie sich durch den extremen Wind und den lästigen Schnee kämpfen und dabei unbewusst eine bestimmte Modeaussage transportieren – oder eben gerade keine!
Ich benutze für meine Aufnahmen nur klassischen Film. Ich liebe es, wie es den Bildern diesen dreidimensionalen Look verleiht. Dabei werden viele Details im Hintergrund, außerhalb der Reichweite des Blitzes, festgehalten, allerdings weniger gesättigt, vielmehr malerisch. Ich finde die Gegenüberstellung von Motiven im Vordergrund und dem Hintergrund sehr speziell – das ist etwas, das meine Bilder wirklich auszeichnet. Zudem gibt es oft ein Gefühl der Bewegung in meinen Bildern, als Folge der langen Verschlusszeit, die ich aufgrund meines Kamerablitzes gezwungenermaßen verwenden muss. Der schnellste Verschluss, den ich verwenden kann, 1/45 Sekunde. Das ist ziemlich langsam, aber ich habe das in vielerlei Hinsicht zu einer Stärke gemacht.

Haben Sie eine bevorzugte Kameraausrüstung für die Kälte?
Ich benutze den Leica M-Entfernungsmesser, weil es von herausragender baulicher Qualität ist und die volle Kontrolle über meine Arbeit bietet. Als Kamera benutze ich vordergründig die M7, da die interne Elektronik hervorragend mit dem externen Blitz, den Leica SF-24D Speed Flash, zusammenarbeitet. Was das Objektiv betrifft, so verwende ich typischerweise ein altes prä-asphärisches 28mm-Elmarit (die vierte Version). Es ist relativ kontrastarm, ideal für Filme und nicht zu teuer im Austausch, falls es einfrieren oder zu nass werden sollte!

Gibt es Pläne für zukünftige Projekte? Möchten Sie in innerstädtischen Gebieten bleiben?
Was die Schneestürme angeht, hoffe ich, dieses Projekt für weitere 10-20 Jahre beizubehalten und pro Jahr vielleicht zehn tolle Bilder zu meinem Portfolio hinzuzufügen. In der Zwischenzeit ist mein bisheriges Werk eigentlich schon reif für ein Buch; ich bin gerade dabei, geeignete Verlage zu finden. Was die Street Photography im Allgemeinen betrifft, so werde ich meine Liebe zu New York City und seinen Menschen fotografisch so oft es geht weiterführen. In letzter Zeit war ich sehr darauf fixiert, eine Silhouette von mir und meinen Filzhut auf die Vorder- und Rückseiten von Menschen zu projizieren, was dank des Wintersonnenlichts hervorragend klappt – wie man auf meinem Profilfoto gut erkennen kann.
Danilo Rößger
ALLE BILDER AUF DIESER SEITE: © Adam Miller
EQUIPMENT: Leica M3, Leica M7 mit Elmarit-M 1:2.8/28 und Summicron-M DualRange 1:2/50, Leica SF-24D Speed Flash

Adam Miller+-

Die Straßen des Big Apple sind sein Arbeitsplatz: Adam Miller pflegt gleichsam eine Liebe zur Fotografie und zum pulsierenden Leben in New York City. Seine Bilder, die er ganz klassisch mit analogen Leica-Equipment aufgenommen hat, fangen den Zeitgeist der Stadt ein, die niemals schläft – von den ikonischen Skylines über Street Art bis zu den Menschen, die diese Metropole so einzigartig machen. Mehr

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