Transnistrische Einfachheit

Jann Wilken

18. September 2014

„Ende Januar 2011 kehrte ich von einer Reise nach Transnistrien zurück und begann, meine Negative zu scannen. Auf einem Bild, aufgenommen an einem Bahnhof in Bender an der Grenze zu Moldawien, entdeckte ich plötzlich eine Frau. Während der Aufnahme war sie mir nicht aufgefallen.“
„Ende Januar 2011 kehrte ich von einer Reise nach Transnistrien zurück und begann, meine Negative zu scannen. Auf einem Bild, aufgenommen an einem Bahnhof in Bender an der Grenze zu Moldawien, entdeckte ich plötzlich eine Frau. Während der Aufnahme war sie mir nicht aufgefallen.

Offiziell gibt es Transnistrien gar nicht. Von keinem anderen Staat anerkannt, kämpfen seine Bewohner dennoch unbeirrt um die Abspaltung von Moldawien. 500 000 Menschen leben hier – mit Pässen und einer Währung, die im Ausland wertlos sind. Häufig wird Transnistrien auch als „sowjetisches Freilichtmuseum“ bezeichnet. Läuft man in der Hauptstadt Tiraspol oder in Bender herum, drängt sich dieser Gedanke geradezu auf. Allerdings schien er mir immer zu niedlich – gerade wenn man daran denkt, was in der Nachbarschaft Transnistriens, der Ostukraine, gerade los ist.

Beim Durchsehen weiterer Negative bemerkte ich außerdem, dass die Gestaltung der Fotos durchgehend einfach gestrickt ist: Fluchtpunkt Mitte, gerade Linien, fertig. Kaum Experimente. Und vielleicht bringt das die Dinge, die ich gesehen habe, schon auf den Punkt: Vieles ist speziell, aber einfach, zumindest für einen westlichen Betrachter. Fast überall in diesem Land.

Dort kann die Wartehalle eines Bahnhofs zugleich ein Möbelladen sein – schließlich ist genug Platz vorhanden – und man denkt: „Wow, wie unkompliziert!“. Da kann man dann auch seine Fotos einfach gestalten.“

Jann Wilken+-

Geboren in Ostfriesland, Studium der Visuellen Kommunikation in Hamburg und Zürich. Nach dem Studium Arbeit als freier Fotograf, seitdem Veröffentlichungen u.a. in Süddeutsche Zeitung, Die Zeit. Wilken lebt und arbeitet in Hamburg. Mehr

 

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Jann Wilken